Abdelaziz Bouteflika will eine weitere Amtszeit.

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Auf Algeriens Straßen regte sich am Wochenende erstmals nennenswerter Widerstand gegen die umstrittene Kandidatur von Abdelaziz Bouteflika bei den Präsidentschaftswahlen im April. Nach monatelanger Ungewissheit hatte der gesundheitlich angeschlagene 81-jährige Staatschef erst vor einer Woche per Brief bestätigt, sich abermals zur Wahl stellen zu wollen. Seine Kandidatur gilt zwar schon seit Monaten als ausgemacht, doch mit der Verzögerungstaktik in Sachen offizielle Verkündung der Bewerbung hatte Bouteflikas Fraktion im Machtapparat sowohl die Opposition als auch die Bevölkerung lange Zeit sichtlich gelähmt. Zumindest die Bevölkerung scheint ihre Zurückhaltung langsam, aber sicher aufzugeben.

Am Samstag zogen in mehreren Provinzen im Norden des Landes jeweils einige Hundert Menschen durch die Städte und machten ihrem Unmut über die Regierung und die abermalige Kandidatur des seit 1999 amtierenden Staatschefs Luft. Friedliche Proteste zumeist jugendlicher Demonstrantinnen wurden aus den Großstädten Oran und Annaba sowie den Provinzen Jijel, Bordj Bou Arreridj, Oum El Bouaghi und Tizi Ouzou gemeldet. In Kherrata in der Provinz Béjaïa in der berberisch geprägten Region Kabylei östlich von Algier versammelten sich hunderte Menschen im Stadtzentrum, entrollten Transparente und skandierten "Hau ab, Bouteflika" und "Nein zum fünften Mandat".

Kritik an Verhaftungen

Sicherheitskräfte ließen die Protestierenden zunächst weitgehend gewähren, nahmen jedoch in Ain Beida und Bordj Bou Arreridj mehrere Aktivisten für einige Stunden in Gewahrsam und lösten die dort organisierten Sit-ins sukzessive auf. Das Büro der algerischen Menschenrechtsliga LADDH in Béjaïa und die in der Kabylei verankerte linksliberale Partei RCD, die die Präsidentschaftswahl am 18. April boykottieren will, kritisierten die Verhaftungen scharf und forderten die Regierung auf, die Meinungsfreiheit und das Demonstrationsrecht zu respektieren.

Sozial und wirtschaftlich motivierte Proteste sind zwar vor allem in vernachlässigten Provinzen wie der Kabylei, Jijel oder Oum El Bouaghi, die unter hoher Arbeitslosigkeit, schlechter Infrastruktur und Wohnraummangel leiden, keine Seltenheit, doch Teile der Opposition hoffen nun darauf, dass es sich bei den Protesten am Wochenende nicht nur um einen Sturm im Wasserglas handelt. Für den 22. und 24. Februar rufen Aktivisten und die aus Oppositionellen und geschassten ehemaligen Mitstreitern Bouteflikas bestehende Bewegung Mouwatana zu weiteren Protesten auf.

Fragiler sozialer Friede

Ob diese als Katalysator für Massenproteste gegen Bouteflikas fünftes Mandat taugen werden, ist jedoch mehr als fraglich. Denn zwar zeigt diese erste nennenswerte Mobilisierung auf Algeriens Straßen gegen eine weitere Amtszeit des greisen Präsidenten einmal mehr, wie fragil der soziale Friede im Land derzeit ist, doch Bouteflika wird innerhalb des fragmentierten Regimes weiterhin als alternativlos porträtiert. Sein Clan setzt derzeit alles daran, möglichst viele Parteien und andere politische Akteure um sich zu scharen und damit ein Bild der Geschlossenheit zu vermitteln.

In der Opposition ist man sich uneins über den Umgang mit dem Urnengang. Nur das RCD und die linke, ebenfalls in der Kabylei verankerte Partei FFS setzten bisher offen auf Wahlboykott. Die trotzkistische Arbeiterpartei von Louisa Hanoune kritisiert zwar Bouteflikas Kandidatur, scheut sich aber weiterhin, klar Farbe zu bekennen. Aufrufe aus dem islamistischen Lager, sich auf nur einen Oppositionskandidaten zu verständigen, verhallten bisher ungehört. (Sofian Philip Naceur, 17.2.2019)