"Die Grünen sind nicht weg. Im Gegenteil", sagt der stellvertretende Bundessprecher Stefan Kaineder.

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Linz – Der frischgebackene stellvertretende Grünen-Bundessprecher Stefan Kaineder gilt als aussichtsreichster Kandidat auf den Sessel des oberösterreichischen Landessprechers. Die Agenda des 34-Jährigen geht zurück zu den grünen Wurzeln: Klimaschutz steht über allem anderen. Mit der APA sprach er über das "kreative" Arbeiten ohne Geld, Klima-"Geisterfahrer" und das von ihm erwartete grüne Lebenszeichen bei der EU-Wahl.

Die Ausschreibungsfrist für die Nachfolge von Maria Buchmayr als OÖ-Landessprecherin hat am Freitag begonnen und dauert bis 1. März. "Ich glaube, dass ich nicht unbeliebt bin bei den Grünen", meint Kaineder, aber: "Ich habe noch keine Bewerbung abgeschickt." Er will die Sache zunächst intern diskutieren: "Wenn wir eines gelernt haben, dann dass wir Personaldiskussionen nicht auf offener Bühne führen." Eine Kampfkandidatur werde es bei der Wahl am 6. April "ganz bestimmt" nicht geben.

Kritik an Doppelspitze

Das derzeitige Modell der Doppelspitze – Buchmayr führt die Partei, in der Landesregierung sitzt aber Rudi Anschober – hat für Kaineder ein Ablaufdatum: Das sei einer "modernen politischen Kommunikation nicht dienlich", mittelfristig solle man die Positionen wieder zusammenführen. Ob Anschober 2021 noch einmal als Spitzenkandidat in die Landtagswahl geht, "werden wir klären". Dieser mache "hervorragende Arbeit", und er lerne "irrsinnig viel" von ihm.

Auch wenn Kaineder als Sozialsprecher zuletzt stark Themen wie Mindestsicherung und Kindergartengebühren beackert hat – das Klima sei "das erste und drängendste Thema", betont er. Nach dem vergangenen Sommer "haben die Menschen verstanden, was Klimakrise bedeutet und dass wir etwas dagegen tun müssen". Seit Wochen würden jeden Freitag "Zehntausende junge Leute auf die Straßen gehen", die wollen, dass die Politik sich des Themas annimmt. Daher kommt er zu dem Schluss: "Die Grünen sind nicht weg. Im Gegenteil." Die schwarz-blaue Landesregierung in Oberösterreich kritisiert er als "Geisterfahrerin" in Sachen Klimaschutz, insbesondere Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner: Dieser habe "aus dem Wohnbaubudget jeden einzelnen Euro für erneuerbare Energien herausgestrichen".

Noch viel mehr ärgere ihn aber, dass Österreich vom "jüngsten Kanzler in der Europäischen Union" regiert werde, dieser aber "die schlechteste Klimabilanz" vorzuweisen habe. "Die Wissenschaft sagt, wir haben noch zwölf Jahre Zeit. Jetzt frage ich mich: Wo war ich 2007? Das ist genau die Distanz, die zwischen dem jetzigen Zeitpunkt und jenem liegt, bis zu dem wir die Klimakrise abgewendet haben müssen. Das sind zwei Perioden im EU-Parlament." Es brauche eine starke Grüne Stimme, denn die Leute würden sagen: "'Kümmert euch darum, dass wir den Planeten retten.' – Und das wollen wir tun."

"Neuer Spirit" sei spürbar

Er spüre seit dem Grünen Abschied aus dem Nationalrat "einen neuen Spirit" in der Partei. Sein Job als frisch gebackener stellvertretender Bundessprecher – "ohne Personalapparat, ohne Wahlkampfmillionen, aber mit vollem Herzblut" – empfindet er allen Widrigkeiten zum Trotz als "kreativ", denn "es hat schon was Spannendes, wenn man auf einem weißen Blatt Papier zu schreiben anfangen kann". Große Erwartungen setzt Kaineder in die EU-Wahl: "Am 26. Mai werden wir den ersten Schritt für ein starkes Comeback sehen."

Wo die Latte für das grüne Abschneiden liegt, will er nicht festmachen, nur so viel: Die 14,5 Prozent vom letzten Mal werde man wohl nicht erreichen, die bei der Nationalratswahl unterschrittene Vierprozentmarke wohl überspringen.

"Eine der wichtigsten Zukunftsfragen" auf europäischer Ebene ist für ihn, wie die Agrargelder verteilt werden, "ob wir wieder Milliarden in die Agrarindustrie, in Monsanto, Bayer und Co investieren oder ob wir endlich beginnen, ökologische, kleinstrukturierte Landwirtschaft zu fördern".

Gegen Plattform mit Liste Jetzt

Eine Plattform mit der Liste Jetzt ist für Kaineder "kein Thema": "Die Grünen sind bereits in einer Plattform, und zwar mit allen grünen Parteien anderer Länder." Im Parlament thematisieren ihm die Jetzt-Abgeordneten Klima und Umwelt zu wenig. "Das ist das größte Problem, das die Republik gerade hat. In Wahrheit gibt es keine starke Stimme dafür, dass die Energiewende angegangen wird." Auch dass die Ökostromnovelle im Bundesrat an den Stimmen der SPÖ scheiterte, zeige, "dass die Kernfragen der Zukunft zum Spielball im Machtkampf zwischen Schwarz und Rot werden".

Diese Parteien hätten "überhaupt kein Interesse daran, dass vernünftige Klimapolitik gemacht wird". Den Ärger der Roten über fehlende oder kurze Begutachtungen teilt er aber: "Für die Demokratie ist das ein schwerer Rückschlag." Die Bundesregierung "geht sehr fahrlässig damit um, dass dieses Land in den letzten 70 Jahren zu einem friedlichen, freien Staat geworden ist, der hohen Wohlstand kennt". Wenn man sich nun "bei Orbán abschaut, wie man die liberale Demokratie bekämpft, dann ist das eine große Gefahr". (APA, 16.2.2019)