Getragen vom Rapid-Geist – Burgenlands bald neuer Landeshauptmann.

Foto: Robert Newald

Die LH-Ahnengalerie vorm Landtagssitzungssaal, Aug' in Aug' mit Staatsgründer Karl Renner und dem mahnenden elegischen Distichon des alten Schulmeisters Josef Hochleitner: "Die Liebe des Volkes verleiht auch dem schlichtesten Manne das Zepter – die Liebe zum Volke allein wahrt ihm die ehrende Macht."

Foto: Robert Newald

Hans Peter Doskozil ist, da macht er aus seinem Herzen keine Mördergrube, glühender Rapid-Fan. Noch bewohnt er mit den einschlägigen Devotionalien das kleine Landesratsbüro gleich neben den Klubräumen der ÖVP. Er und sein – teils schon im Verteidigungsministerium aufeinander eingespieltes – Team haben aber quasi schon gepackt und sind übersiedlungsbereit, um das große LH-Büro umzufärben. Nichts Violettes wird dann mehr daran erinnern, dass mit Hans Niessl hier 18 Jahre lang ein glühender Austrianer logiert hat.

Mit dem sprichwörtlichen Rapid-Geist will der neue Landeshauptmann des kleinen Burgenlandes aber auch das rote Angriffsspiel insgesamt forcieren. Man müsse klarmachen, sagt er im Gespräch mit dem STANDARD, was es heißt, wenn Sozialdemokraten in der Regierungsverantwortung stehen. Das habe man in der Vergangenheit vernachlässigt, sich zu sehr dem Druck der "wirtschaftliberalen" ÖVP gebeugt. Auf die Bundes-SPÖ mag er nicht hinhauen. Viel lieber würde er übers Versagen mancher historisch starker Bundesländer reden.

STANDARD: Hans Niessl, Ihr baldiger Vorgänger, hat damit begonnen, eine urbane und eine ländliche Sozialdemokratie zu unterscheiden. Können Sie damit etwas anfangen?

Doskozil: Das ist eine vielschichtige Diskussion. Man kommt zu diesem Ergebnis, wenn man der Differenzierung zwischen linker und rechter Sozialdemokratie folgen würde. Mir geht es um die Inhalte. Ich glaube, gegen Wirtschaftsliberalismus zu sein ist wohl keine rechte Politik, sondern eher eine linke. Den Mindestlohn einzuführen, so wie wir das machen werden; die Pflege in den Mittelpunkt zu stellen; in Bio zu gehen – das ist wohl keine Politik, bei der man sagen kann, das macht ein rechter Sozialdemokrat. Aber gleichzeitig sind wir auch für eine konsequente Sicherheits-, Fremden- und Migrationspolitik. Das ist für mich kein Widerspruch.

STANDARD: All die von Ihnen erwähnten Maßnahmen wirken, als wären sie auch ein Modell übers kleine Burgenland hinaus. Ist das von Ihnen so auch gedacht?

Doskozil: Wir haben es in der Vergangenheit verabsäumt, der Sozialdemokratie in der Regierungsverantwortung ein deutliches Profil zu geben. Natürlich kann man in der Opposition ganz andere Dinge fordern, als man in der Regierung dann umsetzen kann. Deshalb ist es so wichtig klarzulegen, was es bedeutet, wenn die Sozialdemokratie in der Regierungsverantwortung ist im Vergleich zu anderen Bundesländern. Und im Konkreten auch im Vergleich zum Bund.

STANDARD: Bleiben wir beim Mindestlohn. Der soll 1.700 Euro netto im Landes- und landesnahen Dienst betragen. Wie viele Menschen wird das betreffen? Wie viel wird das kosten? Gibt's da schon Berechnungen?

Doskozil: Das wird gerade gemacht. Bis zum Sommer werden wir einen Entwurf vorlegen, wo alle diese Fragen beantwortet werden. Auch natürlich über die Zeittangente, bis hin zu vielleicht zehn Jahren: Was bedeutet das bei den Pensionsabgängen? Wie sieht das mit den Lebensverdienstsummen aus? Wie ist das insgesamt zu finanzieren? Über den Sommer werden wir das mit der Personalvertretung diskutieren und dann im Spätherbst in den Landtag bringen.

STANDARD: Das betrifft nur den Landesdienst oder schon auch den in den landesnahen Betrieben?

Doskozil: In dieser Phase betrifft es jetzt einmal den unmittelbaren Landesdienst. Aber etwa auch die Spitalsgesellschaft, die Krages, und die in der Holding zusammengefassten Betriebe. In einem nächsten Schritt wollen wir das auf die Gemeinden ausrollen.

STANDARD: Also doch ein sehr beträchtliche Zahl an Menschen und damit Kosten.

Doskozil: Na ja: Wie skurril die jetzige Situation ist, kann man an zwei Beispielen gut erklären. Wenn man heute einer Reinigungskraft 1.700 Euro netto bezahlen will, kostet das den Arbeitgeber mit den Argbeitgeberbeiträgen nicht ganz 3.200 Euro. Wenn wir die Arbeit fremd vergeben an ein Unternehmen, kostet eine Reinigungskraft im Monat 3.600. Wir zahlen über den Sachaufwand mehr an diese Firma, als wenn wir selber den Mindestlohn zahlen würden. Das Gleiche im Sozialbereich: Wenn wir, weil wir zum Teil zu wenige Sozialarbeiter haben, über die Bezirkshauptmannschaften fremd vergeben, zahlen wir bis zu 110 Euro Stundensatz. Da kann ich zwei Sozialarbeiter beschäftigen und bin immer noch billiger!

STANDARD: Sie haben insgesamt eine Rückführung privatisierter Dienstleistungen angekündigt. Ein Paradigmenwechsel in der Sozialdemokratie? Bis vor kurzem war das Outsourcing Konsens.

Doskozil: Man ist da mitgelaufen mit einem Trend, hat möglicherweise dem Druck wirtschaftsliberaler Kräfte in verschiedenen historischen Regierungen nachgegeben. Aber das ist nicht Genetik der Sozialdemokratie. Ich stehe für einen starken Sektor Staat. Das sind die Aufgaben, die die Verfassung dem Staat zugewiesen hat. Die öffentliche Hand hat das zu erledigen. Ob im Gesundheitsbereich, im Sozialbereich, im Sicherheitsbereich. Ich habe mir zum Beispiel nie vorstellen können, dass ein Schubhaftzentrum wie das in Vordernberg von einem privaten Unternehmen geführt wird. Ich finde es bedenklich, dass etwa die Flughafensicherheit ein privates Unternehmen macht.

STANDARD: Ist die Frage der ausgelagerten Sicherheit nicht auch ein programmierter rot-blauer Koalitionsstreit im Burgenland? Immerhin ist das Prestigeprojekt der FPÖ das der Sicherheitspartner in den Gemeinden.

Doskozil: Gerade da ist alles klar definiert im Sicherheitspolizeigesetz. Was man zulassen kann, ist, dass man sagt, die Sicherheit ist ein so großes Thema, dass man die Bevölkerung selbst motivieren muss, für ihre Sicherheit Dinge zu tun. Und das kommuniziert man über die Sicherheitspartner, aber eben ohne behördliche Befugnis. Das ist Bestandteil des Koalitionsabkommens. Und was ausgemacht ist, gilt. Was zukünftige Vereinbarungen bringen, wird man sehen.

STANDARD: Sind diese Sicherheitspartner auch "landesnaher Dienst", also Teil der Mindestlohnaktion?

Doskozil: Nein, da sie ja über ein privates Unternehmen organisiert werden. Aber: Gewisse Ausschreibungen, Vergaben, Förderungen werden in einem nächsten Schritt überhaupt gekoppelt werden an solche Bedingungen. Ich denke da laut nach über den Pflegebereich.

STANDARD: Darf ich Sie ums laute Nachdenken bitten?

Doskozil: Schon Anfang März werden wir unser neues Pflegemodell präsentieren. Wir wollen da nicht auf den Bund warten, das ist ja auch eine Landeskompetenz. Zwei fundamentale Überlegungen, so viel sei jetzt schon gesagt, spielen bei unserem Modell eine entscheidende Rolle. Erstens: Pflege wird nur mehr gemeinnützig organisiert sein. Und: Es muss möglich sein, pflegende Angehörige in ein Beschäftigungsverhältnis zu bringen. Und das unter dem Aspekt des Mindestlohns.

STANDARD: Das Burgenland soll unter Ihrer Führung ein Bio-Musterland werden. Ist das nicht jene links-grüne Fundipolitik, die Sie an den eigenen Genossen kritisiert haben?

Doskozil: Man braucht kein links-grüner Fundipolitiker zu sein, um sich einzugestehen, dass wir bei der Lebensmittelproduktion, dem Umgang mit den Böden, dem Essen für unsere Kinder etwas ändern müssen. Klarerweise geht das auch hier nicht von heute auf morgen. Aber es ist das Ziel, 100 Prozent biologisch zu produzieren.

STANDARD: Und dazu wird das Land auch den wirtschaftlichen Hebel eines Großeinkäufers nutzen?

Doskozil: Die Vorgabe ist, dass alle Landesbetriebe biologisch einkaufen. Mit der Landwirtschaftskammer stellen wir gerade die Produktplatte zusammen. Das soll bis in die Gemeinden gehen, sodass wir sicherstellen können, dass unsere Kinder ein g'scheites Mittagessen kriegen. Wir wollen da in erster Linie die Direktvermarkter ansprechen und so den Zwischenhandel ausschalten. Aber wir denken auch nach über Maßnahmen im Bereich der Raumplanung, etwa keine neuen konventionellen Betriebe mehr zuzulassen. Wir denken intensiv über Maßnahmen beim Bodenschutzgesetz nach, eventuell dort, wo es aus Katastrophenschutzgründen nötig ist, Anbauverbote zu verhängen.

STANDARD: Sie werden beim Landesparteitag in Tirol auftreten. Pamela Rendi-Wagner nicht, warum auch immer. Wie sind Sie zufrieden mit der oppositionellen Performance der SPÖ?

Doskozil: Ich möchte das nicht nur als Bundesaufgabe sehen. Ich würde gerne intensiv diskutieren wollen, dass auch die Länder das ihre dazu betragen müssen. Es reicht nicht, dass die Landesverantwortlichen – ich nehme mich da gar nicht aus – sagen, der Bund macht was schlecht. Jeder soll sich intensiv hinterfragen auf Landesebene, ob das denn alles so passt. Mit Blick auf die Nationalratswahl 2022 sind wir nämlich jetzt genau in der Phase, wo wir uns in den Ländern organisieren müssen. Und es ist ganz einfach nicht zu akzeptieren, dass wir uns in historisch starken Ländern – es weiß eh, wer gemeint ist – Richtung Einstelligkeit bewegen. Da muss ganz klar was geändert werden.

STANDARD: Oberösterreich? Niederösterreich?

Doskozil: Sie sagen es.

STANDARD: Doskozil, sagen mir Linguisten, sei einer dieser sprechenden tschechischen Namen und würde bedeuten: der auf einen Sprung vorbeischaut. Schauen Sie im Landeshauptmannbüro einen Sprung vorbei, sind aber gewissermaßen schon auf dem Sprung an die Parteispitze?

Doskozil: Sicher nicht. In der Politik hat für mich Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit den allerhöchsten Stellenwert. Vor allem in der Regierungsverantwortung. Es war immer ein großes Defizit der Sozialdemokratie, dass sie sich, nur um den Preis des Regierens, sehr stark in die Enge hat treiben lassen von einer wirtschaftsliberalen Volkspartei. Also: Ich trete nicht an, um als Landeshauptmann des Burgenlandes gewählt zu werden und dann ein paar Tage später zu sagen: So, jetzt geh' ich.

STANDARD: Sie waren einer der besten Freunde des 2015 verstorbenen Kurt Kuch. Wie hat er, der Aufdeckerjournalist, Sie und Ihren Blick auf den Journalismus, die Medien geprägt?

Doskozil: Er hat mich schon immer beeindruckt, mit welcher Akribie, mit welchem Einsatz er Themen verfolgt hat, versucht hat, Korruption aufzudecken. Mit ihm im Hinterkopf war es für mich beispielsweise keine Frage, den Eurofighter-Kauf aufzuarbeiten. Auch wenn dies mit dem Risiko behaftet war, dass es eventuell auch Sozialdemokraten betreffen kann. (Wolfgang Weisgram, 17.2.2019)