Burgschauspielerin Katharina Lorenz in der Maske (für "Hotel Europa").

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Jetzt haben wir endlich den Blusenstoff geboren!", tönt es freudig aus der Kostümabteilung des Burgtheaters. Alle sind erleichtert. Nur hauchdünne Nuancen liegen zwischen der gestalteten und der zufälligen Realität eines Kleidungsstücks. Daran wird präzise gefeilt, damit dann auf der Bühne alle Zeichen stimmen. Gewerkt wird in der Damenschneiderei, der Kostümmalerei, der Modisterei, der Weißnäherei – und einen Schuhmacher braucht es auch. Zumindest im Wiener Burgtheater.

Polyfilm Verleih

Das ehemalige k.&k Hofburgtheater ist einer der größten Bühnentanker des deutschen Sprachraums. Zu ihm gehören neben dem Prachtbau am Wiener Ring noch Werkstätten, Proben- und Lagerräume. Der Film Die Burg von Hans Andreas Guttner versucht nun, in das Innere dieses Schaffenskosmos vorzudringen.

Wann kommt der Nikolaus?

Die Kamera verfolgt kommentarlos und ohne Erzählerstimme Leseproben oder Schauspieler in der Maske, sie ist bei Gesprächen des künstlerischen Leitungsteams dabei, bei einer Titelehrung, beim Gesangsunterricht und beim Publikumsgespräch, bei Sitzungen mit der Direktorin (Wann soll der Burg-Nikolaus seinen Dienst versehen?). Es kommen die Klofrau und die Dramaturgie zu Wort, außerdem der Billeteur und natürlich einige Schauspieler, die über ihren Beruf sprechen. Und genau das ist das Problem dieser Dokumentation. Sie streift oberflächlich und unkoordiniert das Burgtheater und sein Inneres.

Guttner, der hier eine Tradition des amerikanischen Direct Cinema imitiert, das auf erklärende Off-Kommentare oder Interviewfragen verzichtet, findet keine Spur, die der Charakteristik des Hauses wirklich näherkommen würde. Die Burg bleibt eine langatmige Schleife recht einfallslos angetasteter Schauplätze und Momente zum Thema: wie Theater entsteht.

Aus der Distanz

Entlang von drei Inszenierungen (Hotel Europa; Liebesgeschichten und Heiratssachen; Geächtet) verfolgt die Filmdokumentation aus entschiedener Distanz künstlerische Schaffensprozesse und organisatorische Abläufe, sie baut aber auch wenig repräsentative Anlässe ein, wie den Tag der offenen Tür. Und ein wenig scheint sie auch das Gebäude und seine Architektur zu interessieren. Diese Ansätze versiegen aber rasch oder sind kaum erkennbar, etwa der kommentarlose Schwenk in die faszinierenden Lüftungsschächte im Untergrund.

Halt findet man momenthaft bei den Schauspielern, von welchen drei in den Fokus rücken: Katharina Lorenz, Fabian Krüger und Nicholas Ofczarek. Letzterer trägt stolz ein T-Shirt mit der Aufschrift "No pain no gain", ein Übungsmotto, das so viel meint wie: ohne Schmerz kein Gewinn. Eine Manifestation des kräftezehrenden Schauspielerberufs, die wir jederzeit gerne lesen. Denn wir, das Publikum, wollen Schauspieler ja schwitzen sehen.

Wiener Chaos

"Am falschen Weg ist immer was Richtiges dabei", sagt Ofczarek bei einer Probe. Das könnte man auch über den Film sagen. Er hat nette Anekdoten eruiert – vor allem der Billeteur Herr Schmoll kennt sein Wiener Publikum ("Sie wollen das Chaos!"). Doch insgesamt ist Die Burg ein fahler Film über eine schillernde Institution. (Margarete Affenzeller, 15.2.2019)