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25 Jahre lang schmuggelte "El Chapo" tonnenweise Kokain und andere Drogen in die USA und führte sein Kartell mit äußerster Brutalität.

Foto: Reuters / Handout

Mexiko-Stadt/New York – Würde Joaquin "El Chapo" Guzman nach Mexiko zurückkehren, gäbe es dort ein großes Fest. Auch nach dem Schuldspruch des berüchtigten Drogenbosses am Dienstag in New York wird der 61-Jährige in seiner Heimatregion immer noch als Wohltäter verehrt.

25 Jahre lang schmuggelte "El Chapo" tonnenweise Kokain und andere Drogen in die USA und führte sein Kartell mit äußerster Brutalität. Doch die Menschen in Sinaloa, dem Bundesstaat, der dem Kartell den Namen gab, erzählen eine andere Geschichte. "Seit der Chapo nicht mehr da ist, gibt es wieder mehr Armut. Die Leute müssen fortgehen, um Arbeit zu finden. Das Leben ist härter geworden", sagt Jorge Valenzuela, aus dem Dörfchen Potrero de Bejarano.

Guzman wurde vor 61 Jahren in dem Weiler La Tuna, hoch in den Bergen der Sierra Madre im Bezirk Badiraguato geboren. Hier gilt er immer noch als übermenschlicher Held, der für einen Wohlstand sorgte, den die Regierung den Bürgern nicht bieten kann.

Eine Milliarde Dollar Vermögen

Polizei ist hier nirgendwo zu sehen, nur Männer mit Sturmgewehren und Walkie-Talkies, die in gepanzerten Pick-ups durchs Gelände patrouillieren. Viele tragen Kappen mit der Nummer 701. 701 – das war Guzmans Platz auf der Liste der reichsten Menschen des US-Magazins "Forbes". Auf eine Milliarde Dollar (0,89 Milliarden Euro) wurde sein Vermögen geschätzt.

Mit Liedern, Fotos und Sprüchen erinnern die Menschen in der Gegend an "El Chapo". "Er hat Geld an die Leute verteilt und Saatgut, um Drogen anzupflanzen", erinnert sich Valenzuela. "Jetzt macht das keiner mehr." Zusammen mit den Bundesstaaten Chihuahua und Durango bildet Sinaloa Mexikos "Goldenes Dreieck" – eine Region voll mit Marihuana- und Opium-Feldern und Heimat der schlimmsten Drogenhändler.

Schauspieler Penn interviewte Guzman

Er sei in "sehr bescheidenen, sehr armen" Verhältnissen aufgewachsen, sagte Guzman einmal in einem Interview mit dem Schauspieler Sean Penn für die Zeitschrift "Rolling Stone". Mit 15 stieg er ins Drogengeschäft ein – andere Jobs habe es nicht gegeben.

Arm ist die Gegend immer noch. Neun von zehn Menschen in Badiraguato leben laut offiziellen Zahlen in Armut oder extremer Armut. Es ist der ärmste Bezirk in Sinaloa. Hier gibt es auch die wenigsten Teerstraßen. Dafür umso mehr Pisten über die Berge, die zu den Drogenfeldern führen.

Über den Drogenhandel wird nicht geredet, lautet ein ungeschriebenes Gesetz der Region. Aber wenn doch, dann sind die Menschen voll des Lobes für Guzman. Seitdem er weg ist, sei es mit der Wirtschaft bergab gegangen, sagen die Besitzer der kleinen Geschäfte.

"Früher war hier immer etwas los, es wurde dauernd etwas mit Geländewagen in die Berge geschafft. Jetzt ist hier tote Hose. Man sagt, die Leute hätten kaum noch Geld zum Leben", sagt Jaime Laija, der ein Lokal an der Hauptstraße nach Badiraguato betreibt. Auch der Wirt beschreibt Guzman als einen Wohltäter: "Er half den Kranken und gab ihnen Geld."

Längst nicht alle trauern Drogenboss nach

Doch längst nicht alle in Sinaloa trauern dem Drogenboss nach. Die brutale Gewalt sei weniger geworden, meint Cristabal Castaneda, Minister für öffentliche Sicherheit des Bundesstaates. "Nach der Auslieferung Guzmans spaltete sich das Kartell auf, aber inzwischen hat sich die Lage stabilisiert und die Kriminalitätsrate geht zurück."

Die Verurteilung des Drogenbosses sei ein "großer moralischer Sieg", sagt Mike Vigil, früher Leiter für internationale Einsätze der US-Drogenbekämpfungsbehörde DEA. "Aber das Sinaloa-Kartell wird weitermachen wie bisher", räumt er ein. In Badiraguato hofft unterdessen so mancher, dass es "El Chapo" zum dritten Mal gelingt auszubrechen, wie es ihm schon zwei während seiner Haft in Mexiko gelungen ist. (red, APA, 13.2.2019)