Die Regierung will den Strafrahmen für Gewalttaten erhöhen. Die eigene Experte-Gruppe widerspricht jetzt.

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Wien – Die Diskussion über die Verschärfung von Strafen für bestimmte Gewaltdelikte inklusive Sexualstraftaten spaltet die Gemüter. Die Regierung, die die vom Innenministerium geleitete Taskforce Strafrecht eingesetzt hat, will die Strafen erhöhen. Im Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ ist das unter dem Punkt "Härtere Strafen für Sexual- und Gewaltverbrecher" zusammengefasst. Zahlreiche Strafrechtsexperten halten die Anhebung von Strafen aber, wie berichtet, für entbehrlich.

Auch die Kommission Strafrecht kommt in ihrem mit 15. Jänner 2019 datierten Bericht zum Thema zu dem Schluss, "dass eine Strafschärfung bei den Delikten gegen Leib und Leben, die Freiheit und die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung grundsätzlich nicht erforderlich ist". In einzelnen Bereichen "wurden jedoch einstimmig bzw. mehrheitlich Nachschärfungen befürwortet", heißt es im Taskforce-Bericht, der dem STANDARD vorliegt und Empfehlungen an die Regierung enthält. Auf "geteilte Meinungen" sei in der Kommission nur der Vorschlag gestoßen, Mindeststrafen einzuführen beziehungsweise zu erhöhen.

Mehr Freiheitsstrafen verhängt

Bericht und Empfehlungen beruhen auf einer "Untersuchung der Strafenpraxis bei Körperverletzungsdelikten, fahrlässiger Tötung und Sexualstraftaten für die Jahre 2008 bis 2017", die das Justizministerium in Auftrag gegeben hat. Erstellt wurde die 80-seitige Expertise vom Wiener Strafrechtsprofessor Christian Grafl sowie Universitätsassistentin Isabel Haider vom Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien.

Und: Die Studienautoren kommen darin, kurz zusammengefasst, zu dem Schluss, dass die derzeitigen Strafen reichen. Im Gutachten liest sich das so: "Insgesamt ist für die untersuchten Delikte und die untersuchte Population in den letzten zehn Jahren eine Tendenz zu einer strenger werdenden Strafenpraxis festzustellen, wobei mit den vorgegebenen Strafrahmen in der Regel offenbar durchaus das Auslangen gefunden wird."

Bei vorsätzlichen Körperverletzungsdelikten seien die Geldstrafen "tendenziell" gesunken, mehr Freiheitsstrafen verhängt worden. Wobei die Strafrechtsexperten ein Ost-West-Gefälle sehen: Im Sprengel des Oberlandesgerichts (OLG) Innsbruck würden öfter Geldstrafen verhängt als vor allem im OLG-Sprengel Wien.

Länger beobachten

Zudem kommen die Studienautoren zu dem Schluss, dass die Urteile bei schwerer (ein bis drei Jahre) und absichtlicher schwerer Körperverletzung (ein bis zehn Jahre; zeitigt die Tat Dauerfolgen, ein bis 15 Jahre, bei Todesfolge fünf bis 15 Jahre) strenger geworden seien. Sie führen das auf das Strafrechtsänderungsgesetz (StRÄG) von 2015 zurück, das bereits höhere Strafdrohungen vorsieht.

Genau deswegen raten die Experten betreffs weiterer Gesetzesänderungen zum Abwarten: Ein Beobachtungszeitraum von zwei Jahren sei zu kurz, man tue besser daran, die Auswirkungen des StRÄG 2015 längerfristig zu beobachten, "bevor neuerlich grundsätzliche Veränderungen überlegt werden".

Auch bei Vergewaltigungen stellen die Studienautoren "eine Tendenz zu vermehrten unbedingten Freiheitsstrafen" fest. Auch bei männlichen, erwachsenen Tätern, die bislang nicht vorbestraft waren, wurden demnach bei Vergewaltigung und schwerem sexuellem Missbrauch von Unmündigen in der Regel unbedingte und teilbedingte Strafen verhängt.

Der Bericht der Taskforce soll Mittwochvormittag veröffentlicht werden. (Renate Graber, 12.2.2019)