Ein veritabler Misserfolg war unsere Suche nach einem römischen Numeruskastell (= Kleinkastell), also einem Militärlager, an der Grenze der Territorien von Vindobona und Carnuntum, denn wir machten eine Entdeckung ganz anderer Art: Statt der römischen Kleinfestung förderten wir eine der Verschleierungstaktik überantwortete Fliegerabwehr des Zweiten Weltkriegs zutage.

Alles erschien so ideal für die Erforschung eines römischen Wachpostens nahe dem Ufer der Schwechat in Mannswörth: Die Luftbilder eines Wehrgrabens von 95 mal 83 Meter in strategisch günstigster Position waren den gesuchten Militärstrukturen des 2./3. Jahrhunderts zum Verwechseln ähnlich. Aber unsere luftigen Hypothesen wurden nach den ersten Untersuchungen auf dem Boden der Tatsachen mittels Prospektionen durch Magnetometer und Metallsonden zunichte gemacht: Splittergraben statt römischer "fossa" (Graben), Stahlbeton und Eisenarmierungen statt römischer Palisade, Patronenhülsen statt römischer Pfeilspitzen, Bierkapseln statt Amphoren.

Mannswörth. Standort der Flak Schwechat-Ost südlich der Raffinerie (1939–1945 Deutsche Erdöl A.G.)
Grafik: Klaus Freitag (ÖAW/ÖAI)

Flak Schwechat-Ost bestand bis 1944

Die dokumentierten Befunde sind als eindeutige Indizien für die Lokalisierung des Hauptgefechtsstands der schweren Dreifach-Flakbatterie "Schwechat-Ost" zu werten. Die archäologischen Funde sind für die Datierung der Flak von außergewöhnlicher Exaktheit, die Patronen aus Produktionen des Deutschen Reichs (Treuenbritzen, Finower Industrie, Waffenwerk Brünn) datieren bis 1944, die Kapseln der als Heereslieferantin reüssierenden Brauerei Schwechat in das Jahr 1942.

Magnetogramm und Interpretation. Was aus der Luft wie ein römisches Kleinkastell aussah, ist laut Geophysik und Metalldetektorprospektion der Hauptgefechtsstand einer Flak des Zweiten Weltkriegs.
Grafik: Klaus Freitag (ÖAW/ÖAI)
Die Metalldetektorfunde belegen die Nutzung der Flak bis 1944.
Foto: Helga Sedlmayer (ÖAW/ÖAI)

Vom Fliegerhorst Schwechat-Ost zum Flughafen Wien

Die wiederentdeckte Flugabwehr zählte zu den schweren Flakbatterien, die zum Schutz mehrerer für die militärische Schlagkraft des Deutschen Reichs bedeutsamer Infrastrukturen eingesetzt wurden: Zu schützen war einerseits die Raffinerie, die als "Nova Öl- und Brennstoff A.G." in Betrieb genommen und nach der Enteignung im Jahr 1938 als "Deutsche Erdöl A.G." bis 1945 fortgeführt wurde. Andererseits diente die Flugabwehr zum Schutz zweier seit 1938 ausgebauter Fliegerhorste: des Militärflugplatzes "Schwechat-Süd" auf dem Gebiet der heutigen Bundesheerkaserne in Zwölfaxing und des Horsts "Schwechat-Ost", der – als Militärflughafen geplant – den Vorläufer des heutigen Flughafen Wien bildete, ab 1942 als bedeutende Filiale der Flugzeugproduktion der Ernst-Heinkel-Werke Verwendung fand und ab 1943 als Nebenlager des Konzentrationslagers Mauthausen fungierte, 1944 mit über 2500 Inhaftierten.

Flak Schwechat-Ost, eine strategische Fehlplanung

Eine Räumung und Verlegung des von uns wiederentdeckten Gefechtsstands der Dreifach-Flakbatterie ("Schwechat-Ost") wurde bereits im Herbst des Jahres 1944 angeordnet. Die Einrichtung dürfte aufgrund der Position westlich des Flugzeugwerks nicht von der nötigen Effizienz gewesen sein, da mit dem Beginn der durchwegs aus Südosten angeflogenen 23 schweren Luftangriffe der Alliierten auf Schwechat ab dem März 1944 auch das Ende der Flak nahte. Die Vernichtung der Dokumentation dieser militärischen Einrichtung erfolgte zu Kriegsende. Da hatte noch niemand mit unserem "Spürsinn" für die Aufdeckung militärischer Geheimnisse gerechnet! Aber wollten wir das eigentlich alles so genau wissen und wären nicht viel lieber weiterhin in purer Ignoranz der historischen Tatsachen vom Flughafen Wien abgehoben?

Auf dem Boden der Tatsachen: geomagnetische Prospektionen 2018.
Foto: Klaus Freitag (ÖAW/ÖAI)

Auf dem Boden der Tatsachen bleiben

An diesem Beispiel lässt sich jedenfalls bestens demonstrieren, wie wichtig der Einsatz unterschiedlicher Methoden für eine fundierte archäologisch-historische Aussage ist: Während Luftbildauswertungen und topografische Überlegungen auf ein römisches Numeruskastell verwiesen, erbrachten Prospektionen mit Magnetometer und Metallsonden klare Beweise für eine Flakstellung des Zweiten Weltkriegs. Flexibilität bei der Analyse völlig unerwarteter, durch die archäologische Forschung aufgeworfener Fragestellungen ist in einem solchen Fall allemal gefordert! (Klaus Freitag, Helga Sedlmayer, 14.2.2019)