Das Lichtermeer, Kundgebung gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz. Stephansplatz, am Abend des 23. Jänner 1993.

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Teilnehmer des Lichtermeers auf dem Wiener Heldenplatz.

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Als vor 26 Jahren, im Jänner 1993, rund 300.000 Menschen in Wien auf die Straße gingen, um gegen Ausländerfeindlichkeit zu protestieren, saß ich in Ottakring vor dem Fernseher.

Die Fernsehaufnahme des imposanten Lichtermeers, der größten Demonstration der Zweiten Republik, habe ich noch in bester Erinnerung. Was in den Beiträgen des ORF gesprochen wurde, habe ich wohl nur teilweise verstanden. Knapp acht Monate davor war ich dem gerade beginnenden Bürgerkrieg in Bosnien entkommen. Ich lernte Deutsch. Im Deutschkurs in der Schule, in der städtischen Bücherei und mit dem ORF-Programm.

Ein "ZiB"-Beitrag aus dem ORF-Archiv erzählt davon, dass am Abend des 23. Jänner 1993 alle drei Nationalratspräsidenten Lampen in die Fenster ihrer Amtsräume stellten, als Zeichen der Solidarität mit den friedlich Demonstrierenden. Wenige Stunden davor sprach Kardinal Franz König auf dem Stephansplatz von "menschlicher Würde" und von "menschlichen Grundwerten", die uns alle miteinander verbinden. Die Ablehnung dieser Werte im Inland und Ausland erzeuge Feindschaft und Hass, bewirke Zerstörung und am Schluss Krieg, sagte der Kardinal.

Als sich die Österreicher zu der größten Demonstration der Zweiten Republik zusammenschlossen, war ich eine überforderte Dreizehnjährige. Ich lernte Deutsch. Ich war ein Schlüsselkind, ich schaute viel fern. Im ORF mischten sich Bilder aus den Jugoslawienkriegen mit Berichten über Haiders "Österreich zuerst!"-Volksbegehren, mit Schlagzeilen über Angriffe auf ostdeutsche Asylheime.

Die Bilder des Lichtermeers waren beeindruckend und beruhigend. Sie sind es immer noch.

Vergangene Woche, als sich die bisher größte Demonstration der Zweiten Republik zum 26. Mal jährte, diskutierte die Republik gerade darüber, ob der Innenminister die Menschenrechte infrage stellt oder ob das nur bösartige Unterstellungen und Interpretationen sind. Ein Aufmarsch von der Größe und der Bedeutung des Lichtermeers erscheint mir heute, im Österreich des Jahres 2019, kaum vorstellbar. (Olivera Stajić, 29.1.2019)