Claudia Gamon wird Neos-Listenerste für die Europawahl.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Die Neos wollten pragmatische Lösungen anbieten, versprach sie, hätten aber gleichzeitig "die große Vision der Vereinigten Staaten von Europa", sagt Parteichefin Beate Meinl-Reisinger.

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Wien – Die Neos legten sich am heutigen Samstag fest, wer für sie ins Rennen um die EU-Wahl im Mai gehen wird: Die Nationalratsabgeordnete Claudia Gamon geht als Listenerste in die Wahl am 26. Mai. Sie setzte sich mit 95,2 Prozent deutlich gegen ihren einzigen Konkurrenten durch, den weniger bekannten Claus Dieter Volko. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger übte zum Auftakt scharfe Kritik an den Freiheitlichen und rief dazu auf, die Grundwerte Europas zu verteidigen.

"Wir sind das ehrlichste europäische Angebot, weil wir sind Europa", sagte Gamon, nachdem sie sich bei ihren Parteifreunden für die Unterstützung bedankt hatte. Sie bringe Fleiß und Ausdauer mit, versprach sie den Wahlkämpfern.

Gamon wird NEOS-Spitzenkandidatin für EU-Wahl
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Gamon hob die "Freiheit des Individuums", die Menschenrechte und die liberale Demokratie hervor. Diese Art zu Leben, der europäische Lebensstil, "ist in Gefahr". Bei dieser Wahl gehe es darum, "ob Europa seine Souveränität nach außen und nach innen stärken kann", gegenüber globalen Playern wie China, Russland oder den USA.

Europäisch sein "manchmal urmühsahm"

"Es ist nicht einfach, europäisch zu sein, es ist manchmal urmühsam, europäisch zu sein, aber es lohnt sich", sagt Gamon. Europa müsse "leben und es muss weiterentwickelt werden". Den Neos gehe es nicht um den kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern man wolle "hin zur größten gemeinsamen Vision, die man haben kann", bekräftigte sie die Idee der "Vereinigten Staaten von Europa" inklusive europäischem Pass, gemeinsamer Regierung und Armee. So könne man europäische Antworten auf die globalen Fragen wie Klimaschutz finden. Sie stehe für ein "Europa auf der Überholspur", erklärte Gamon.

Im Europa-Programm, das am Nachmittag beschlossen werden soll, seien Visionen und konkrete Schritte enthalten. "Wer Visionen hat, braucht keinen Arzt, sondern der braucht einen Plan, Fleiß und Ausdauer" – und all das bringe sie für den Wahlkampf und auch die nächsten Jahre in der EU mit, versicherte Gamon.

Meinl-Reisinger: "Wir halten dagegen"

Parteichefin Meinl-Reisinger hob vor den gut 230 pinken Anhängern im Wiener Palais Wertheim die "Liebe zu Europa" hervor, aber auch die Sorge um Grundprinzipien wie liberale Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Meinungs- und Pressefreiheit und die unabhängige Justiz. Es gehe darum, diese Wertegemeinschaft hochzuhalten und zu verteidigen, betonte Meinl-Reisinger. "Dieses vereinte Europa ist aufgebaut auf zwei Worten: Nie wieder!" Sie sage das heute auch wieder, weil sie das Gefühl habe, dass das Geschichtsbewusstsein verloren gegangen sei, wie man in der politischen Debatte der vergangenen Tage gesehen habe.

Es könne nicht sein, dass man wieder darüber spreche, dass sich die Politik über das Recht stelle, spielte sie auf die umstrittenen Aussagen von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) an. Es könne auch nicht sein, zu sagen, dass die Menschenrechtskonvention "richtig" ausgelegt werden müsse – die Interpretation sei allein Aufgabe der unabhängigen Justiz und "nicht eines freiheitlichen Klubobmannes" (Johann Gudenus, Anm.), befand Meinl-Reisinger. "Es ist an der Zeit aufzustehen und zu sagen: Wir halten dagegen, wir kämpfen für unsere Werte."

Sie verstehe, dass manche Leute von Europa enttäuscht seien, weil sie sich große Antworten erwartet hätten "und jetzt haben wir eine Sommerzeit-Debatte". Die Neos hingegen wollten pragmatische Lösungen anbieten, versprach sie, hätten aber gleichzeitig "die große Vision der Vereinigten Staaten von Europa".

"Wer Karas wählt, bekommt Edtstadler"

Von der Konkurrenz nahm Meinl-Reisinger auch die ÖVP ins Visier: Spitzenkandidat Othmar Karas sei "ein einsamer Rufer in der türkisen Wüste", und "wer Karas wählt, bekommt (Karoline) Edtstadler". Auch Neos-Generalsekretär Nick Donig hatte zuvor unter anderem die ÖVP kritisiert, speziell ihr Vorzugsstimmensystem: "Wenn jeder für sich rennt, wer rennt denn dann für Europa?" – eben nur die Neos, gab er gleich die Antwort. "Unsere DNA ist Europa."

Wer das die nächsten Monate für die Neos trommeln darf, wird nun im Laufe des Tages fixiert: Bei den Neos bestimmt nämlich nicht allein die Parteispitze über Wahllisten, vielmehr gibt es einen mehrstufigen Wahlprozess mit einer öffentlichen Online-Vorwahl, einer Wahl im Erweiterten Vorstand und eben einer Mitgliederversammlung. Zu dieser sind Samstagvormittag rund 230 Anhänger erschienen, allerdings dürften etwa 400 Stimmen abgegeben werden, weil man sein Stimmrecht auch übertragen kann.

Gamon nominiert

Gamons Kür zur Spitzenkandidatin galt schon seit längerem als fix. Für den ersten Listenplatz kandidierte neben ihr lediglich Claus Dieter Volko. Am Nachmittag werden die restlichen Plätze gewählt, insgesamt haben sich 35 Interessierte für die EU-Wahl beworben.

Auf Platz Zwei kandidiert nach dem internen Vorwahlprozess, der mit einer Mitgliederversammlung abgeschlossen wurde, die Salzburger Unternehmerin Karin Feldinger.

Auf Platz Drei folgt Stefan Windberger, der schon 2014 auf dem zweiten Listenplatz kandidiert hatte. Dann steht Stefan Zotti, ehemaliger Geschäftsführer des Österreichischen Austauschdiensts und früherer Mitarbeiter von EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP), auf der Liste. Platz Fünf erreichte die georgisch-stämmige Europa-Aktivistin Nini Tsiklauri.

Am späten Nachmittag wurde bei der Mitgliederversammlung auch noch ein eigenes Europa-Programm beschlossen. (APA, 26.1.2019)