Wenn deutschnationale Burschenschafter in der Wiener Hofburg tanzen, gehen nicht nur die "Omas gegen Rechts" auf die Straßen. Für den Ball erwarten die Organisatoren heuer einen Besucherrekord.

Illustration: Felix Grütsch

–Akademikerball, jauchzte mein sich derzeit in Wien befindlicher senegalesischer Freund Herrnjaay Mamadou Monti Diouf. Das ist genau die richtige Veranstaltung, um das hiesige Gesellschaftsleben kennenzulernen. Da gehe ich hin.

–Vergiss es, versuchte ich ihn zu bremsen. Das ist ein Ball der Freiheitlichen, zu dem nur Korporierte und rechte Politiker gehen. Wahrscheinlich eröffnen die ihren Tanzreigen nicht mit "Alles Walzer", sondern mit "Ozapft is", und wenn ein Herr eine Dame zum Tanz auffordert, dann mit hochgereckter rechter Hand. Da amüsieren sich schlagende Burschenschafter von Germania, Arminia, Olympia, Cheruskia, Walhalla, Heidiheidaundziegenpeda oder wie die alle heißen. Misogyne Verbindungen, die ihre Tanzpartnerinnen aus der Verwandtschaft oder einer BDM-Nachfolgeorganisation zwangsrekrutieren. Gegen diesen Ball wird zu Recht seit Jahren demonstriert. Dich als Schwarzen wird man da gar nicht hineinlassen.

–Dass du dich da nur nicht täuscht, sagte Monti. Euer Vizekanzler hat erst letztes Jahr betont, auf diesem Ball sei kein Platz für Antisemitismus, Rassismus und totalitäres Denken. Glaubst du ihm etwa nicht?

–Der hat einen elastisch-metallischen Charakter. Vor ein paar Jahren sah er die Freiheitlichen noch als die neuen Juden. Nicht mehr lang, und er wird seine soziale Heimatpartei als Avantgarde bezeichnen, sagen, sie seien Nazis aus künstlerischen Gründen, weil sie sich der bürgerlichen Welt verweigern und damit etwas sichtbar machen.

–Ich komme aus Afrika, da liegen die Dinge anders, aber dem Vizekanzler eines der reichsten Länder Europas muss man doch vertrauen können. Und schau mal, was die für lustige Kopfbedeckungen tragen. Das erinnert an bemalte Camembertschachteln aus dem Kindergarten. Oder ist das ein Verweis auf euren DJ Ötzi, der immer mit gehäkelten Untersetzern auf dem Kopf herumläuft? Was wird dort für Musik gespielt?

–Rechtswalzer! Lauter landbäuerliche Liederbetätiger, halte ich dagegen. Bestimmt holen sie zu vorgerückter Stunde einen Flachmann mit eingraviertem Fantasiewappen hervor und singen antisemitische Lieder. Aber bis dahin ertönen der Radetzkymarsch, das Deutschlandlied, Gabalier, "I am from Austria" und "Tanz den Adolf Hitler". Da treffen sich in den repräsentativsten Räumlichkeiten der Republik Ewiggestrige, die in Wehrsportvereinen und mit Rudolf-Hess-Geburtstagsfeiern groß geworden sind. Bei denen wird die in Wien besonders ausgeprägte Niedrigkeit des Menschen sichtbar. Nationalisten, die in ihren Kavernen das Dritte Reich verehren, die Europäische Union bekämpfen und den Öxit propagieren. Schlagende Burschenschafter mit dem Schmiss an der Backe.

–Das ist eine Art Initiationsritual. In Afrika gibt es die rituelle Beschneidung, und die jungen Herren hier schlagen sich halt Kerben ins Gesicht. Warum regst du dich so auf, grinste Monti. Gegen euren Life Ball demonstriert auch niemand, und eine Demokratie muss so etwas aushalten. Hat nicht euer Innenminister eben erst gemeint, das Recht müsse sich nach der Politik richten und nicht umgekehrt?

–Der wird mit seinen Polizeipferden über das Parkett und alle Gesetze trampeln und der Bevölkerung diese Rossknödelkur als gesund verkaufen. Geh lieber auf den Ball der Kaffeesieder, den Jägerball, Opernball, Rosenball. Da siehst du auch Lemuren und Walküren, Damen mit Frisuren wie Vogelnestern oder einem Pudel auf dem Kopf, ärmellose Oberarme, Bingowings, vielleicht sogar Kleider aus o.b.-Tampons, Red-Bull-Dosen oder Schwedenbomben-Verpackungen. Pinguine, Pfaue mit Orden oder Schärpen, schräge Vögel, Kleider, die an den Store aus einem Raucherzimmer eines ungarischen Hotels, aber vor der Wende, erinnern, anziehbare Hochzeitshussen oder Monturen, die aussehen, wie wenn jemand versucht hätte, ein Teesackerl anzuziehen.

–Gibt es auf dem Akademikerball keinen Dresscode? Die Herren, wenn sie keine bemalte Camembertschachtel tragen, haben Schirmkappen auf und sehen aus wie Bahnhofsvorstände in der Wüste Malis – oder des Waldviertels. Manche tragen bunte Schlüsselanhänger um die Brust. Oder sind das Hosenträger? Aber schau dir mal die Damen an! Gar keine Walküren. Hübsche Mädels!

–Wenn sie tanzen, kommt das Ländliche hervor. Wursthaxen, Stampfer oder Zahnstocher – Beine, um auf einer Wiese Kuhfladen auszuweichen oder Bierkisten zu tragen, vielleicht auch, um im Stechschritt zu marschieren, aber nicht, um elegant über das Tanzparkett zu fegen.

–Du bist gemein. Das sind lauter fesche junge Menschen, die Jeunesse dorée.

–Nein! Die sind bereits vergreist zur Welt gekommen. Wenn es nach denen ginge, würde kein einziger Afrikaner jemals wieder nach Österreich dürfen. Allenfalls als Sklave.

–Glaubst du, dass man mich dort steinigt?

–Im Gegenteil. Man wird dich feiern, dir Negerwitze erzählen und dich zum "Ehrenmurl" ernennen. Frag jetzt bitte nicht, was ein Murl ist.

–Borgst du mir einen schwarzen Anzug?

–Herrnjaay! Bitte! Wenn du da hingehst, bekommst du ein völlig falsches Bild von Österreich.

–Das glaube ich jetzt eher nicht. (Franzobel, 2.1.2019)