Richard P. Tucker, Tait Keller, J. R. McNeill und Martin Schmidt (Hsg.): "Environmental Histories of the First World War"; Cambridge University Press; 320 Seiten, € 29,99.

Foto: Cambridge University Press

Wien – In einem aktuellen Buch beleuchten Umwelthistoriker die technologische Zeitenwende, die sich im Ersten Weltkrieg vollzog. Eine Energiewende hin zum Erdöl machte die moderne Kriegsführung mit Panzern, Flugzeugen und U-Booten möglich – und dass Österreich und Deutschland kaum welches zur Verfügung hatten, trug zu ihrer Unterlegenheit bei.

Der Erste Weltkrieg war der entscheidende Moment, in dem Erdöl die Energiequelle "par excellence" für das gesamte 20. Jahrhundert wurde, schreibt Dan Tamir von der Universität Zürich in "Environmental Histories of the First World War". Energie war damit auf einmal in viel größerer Menge in viel handlicherem Format verfügbar. Das Buch wurde von Martin Schmid vom Zentrum für Umweltgeschichte der Universität für Bodenkultur Wien mitherausgegeben und ist bei Cambridge University Press erschienen.

Klare Vorteile (außer für die Betroffenen)

Man kann Erdöl durch Bohrungen mit weniger Aufwand und rascher aus dem Untergrund holen, als Kohle aus den Minen, erklärt der Forscher. Dazu brauchte es auch weniger Arbeiter, und die frei gewordenen Männer schickte man statt in die Gruben in die Schützengräben. Erdöl ist zudem besser transportierbar und hat einen höheren Energiewert als Koks. Erdölbetriebene Kriegsschiffe verfügen über eine größere Reichweite als Dampffregatten, sie sind schneller, und man braucht keine Heizer, die mühsam Kohle in die Kessel schaufeln.

Die Mittelmächte rund um Deutschland und Österreich-Ungarn kamen allerdings nur bedingt in den Genuss dieser Vorteile, denn sie hatten nur sehr wenig Erdölressourcen zur Verfügung. Ihre Panzer und U-Boote standen teils aus Treibstoffmangel still. Schließlich gaben sie es auf, neue zu bauen, weil sie kein Öl mehr gehabt hätten, um sie anzutreiben. Der Entente von England, Frankreich und Russland hingegen stand Erdöl spätestens seit dem Kriegseintritt der USA im April 1917 fast unbegrenzt zur Verfügung.

Der Erdöl-Boom hatte aber nur einen marginalen Einfluss auf den Ausgang der Kämpfe, meint Tamir. Nichtsdestotrotz machte er eine "modernere Art der Kriegsführung" möglich und verlängerte den Ersten Weltkrieg.

Neues Zeitalter nach dem Krieg

Als die Veteranen nach Kriegsende wieder nach Hause kamen, sahen sie schließlich, dass Erdöl einen immer größeren Einfluss auf ihr alltägliches Leben hatte: "Die Muskeln der Menschen und Tiere wurden durch Motoren ersetzt", schrieb der Wissenschafter. Im Zweiten Weltkrieg war Erdöl schließlich die einzig wichtige Energiequelle.

Heutzutage wird so mancher Konflikt sogar hauptsächlich wegen des "flüssigen schwarzen Goldes" ausgetragen, so Tamir: "100 Jahre später zieht das Öl kleine ebenso wie große Mächte in den Krieg." (APA, red, 25. 1. 2019)