Sie meint, es wäre Zeit, Entscheidungen zu treffen. Andere sind da schon weiter.

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Da die Regierung von Premierministerin Theresa May an der Möglichkeit eines Chaos-Brexits (No Deal) festhält, setzen die Unternehmen auf der Insel zunehmend ihre Notfallpläne um. Der japanische Elektronikkonzern Sony verlegt sein EU-Hauptquartier von London nach Amsterdam. Die 180 Jahre alte Fährlinie P&O flaggt ihre Ärmelkanal-Fähren nach Zypern aus. Scharfe Kritik handelte sich Staubsauberkönig James Dyson ein, der im Referendum lautstark für den EU-Austritt geworben hatte. Die Verlegung seines Hauptsitzes von England nach Singapur zeuge von "niederschmetternder Heuchelei", empörte sich die Liberaldemokratin Layla Moran.

Zwar dient die Verlegung von Firmensitzen häufig nur rechtlichen Erfordernissen und hat nicht unbedingt Jobverluste zur Folge. Dyson-Staubsauger werden schon seit 15 Jahren nicht mehr in England, sondern in Malaysia produziert. Ein Konzernsprecher erläuterte, nur die für Finanzen und Recht zuständigen Vorstandsmitglieder würden künftig in Singapur arbeiten. Dass aber ausgerechnet die Firma eines Brexit-Vorkämpfers jetzt den Schritt macht, trägt zur nervösen Stimmung bei.

Millionen für die Brexit-Vorsorge

Große Konzerne wie der Turbinenbauer Rolls-Royce sowie Autohersteller wie Nissan und Jaguar Land Rover haben bereits zweistellige Millionenbeträge in die Brexit-Vorsorge investiert, ihre Lagerhaltung erhöht, Entlassungen oder Kurzarbeit angekündigt. Die VW-Tochter Bentley spricht vom Brexit als "Killer" der Profitabilität. Der Chef des Bauunternehmens Beechwood Homes sieht die Möglichkeit eines No Deal in Zusammenhang mit dem starken Abschwung in der Bauwirtschaft insgesamt. Da die Produktion von Zulieferern in der EU abhängig sei, könnten die Folgen "zur Schließung unseres Unternehmens führen", warnt Robert Parker. Ähnliche Hiobsbotschaften gibt es aus der Sandwichbranche sowie bei Pharma- und Chemiefirmen. Das Signal aus der Wirtschaft könne klarer nicht sein, bekräftigt Carolyn Fairbairn vom Lobbyverband CBI: "Der No Deal sollte sofort ausgeschlossen werden." Nur so könne bleibender Schaden von Betrieben abgewendet werden.

Anders als die verarbeitende Industrie gewinnt in der Finanzbranche offenbar Optimismus an Boden, Großbritannien werde den No Deal vermeiden. Das Pfund hat in den vergangenen Tagen gegenüber Dollar und Euro Boden gutgemacht. Grund sei die wachsende Zuversicht, dass sich im Unterhaus eine Mehrheit gegen den No Deal formiert, glaubt Andrew Scott vom Finanzberater JCRA: "Wenn der Worst Case nicht mehr im Spiel ist, sieht das Pfund deutlich weniger risikobehaftet aus."

"Vom Volk beschlossen"

Allerdings soll der No Deal nach dem Willen von Premierministerin May unbedingt im Spiel bleiben – so sagte sie es jedenfalls am Dienstag ihrem Kabinett. Ihre oberste Pflicht sei die Umsetzung des vom Volk beschlossenen Brexits, erwiderte die Regierungschefin Ministern wie Amber Rudd (Soziales) und David Gauke (Justiz), die ein "Schlafwandeln ins wirtschaftliche Unglück" befürchten. Aus Davos teilte Außenhandelsminister Liam Fox mit, das politische Ziel sei wichtiger als "kurzfristige ökonomische" Effekte: "Wir handeln auf Anordnung des britischen Volkes." (Sebastian Borger, 23.1.2019)