"Wir Freiheitliche sind im wahrsten Sinne des Wortes die neue Arbeiterpartei": FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache.

Foto: APA/Punz

Der freiheitliche Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Harald Vilimsky, freut sich auf die Auseinandersetzung mit Othmar Karas (ÖVP).

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Wien – Draußen am Eingang in die Halle der Wiener Messe stauen sich die Sympathisanten und Parteigänger schon früh, drinnen in der Halle liegen auf langen Tischreihen kleine rot-weiß-rote Fahnen. "Vizekanzler HC Strache" steht darauf geschrieben. Die Bühne ist ebenso patriotisch umrahmt, das Motto "Österreicher zuerst. Den Menschen im Wort" flackert auf Bildschirmen im Saal. Die FPÖ feiert an diesem Samstag ihr traditionelles Neujahrstreffen.

Das blaue Großevent, zu dem auch die Ministerriege gekommen ist, soll auf die kommende EU-Wahl am 26. Mai einstimmen – und man will auf die eigenen Erfolge verweisen. Die Regierungsarbeit wird im Wahlvolk, das die große Halle schnell überfüllt, goutiert. "Es wird nicht so viel gestritten", sagt ein Werkzeugmacher, der lieber anonym bleiben will. Dem 58-Jährigen sind die Themen Bildung, Gesundheit und Umweltschutz ein Anliegen. Migration und Asylwesen weniger? Nein, die auch natürlich: "Es sind zu viele reingekommen", sagt er. Der Werkzeugmacher stammt aus einer roten Familie und ist vor kurzem den Blauen beigetreten: "Es hat sich etwas ändern müssen, jahrelang ist alles dahingeplätschert". Die Oppositionsrolle sei jetzt einmal vielleicht auch für die SPÖ "gar nicht so schlecht".

Stimmen vom Neujahrstreffen der FPÖ in Wien.
DER STANDARD

Wenig später wird die Parteispitze den laut Parteiangaben rund 4.000 Anhängern klarmachen, was sie von der SPÖ und deren Arbeit hält: Wenig bis nichts. Davor darf aber noch die freiheitliche Haus-und-Hofkappelle, die "John Otti Band", die Massen anpeitschen.

Karas keine Überraschung

Der politische Frühschoppen hat begonnen – mit einer Programmänderung. Denn zeitgleich zur FPÖ-Veranstaltung hat die ÖVP bekannt gegeben, dass Othmar Karas ihr Spitzenkandidat bei der EU-Wahl wird. Die FPÖ schaltet in den Wahlkampfmodus. "So sehr ich auch Freund, Anhänger und Unterstützer dieser türkis-blauen Allianz bin, so sehr bin ich auch Feind dieser alten und uralten Schwarzen, die mehr eine grüne Politik machen als eine konservative Politik – und die sich am liebsten mit den Sozialisten ins Bett legen wollen", sagt Harald Vilimsky, der als Spitzenkandidat der Freiheitlichen feststeht. Genau ein solcher Vertreter sei Karas. Vilimsky wird dann deutlich: "Lieber Othmar Karas, ich werfe ihnen heute den blauen Fehdehandschuh ins Gesicht, in politischer Art." Er, Vilimsky freue sich jedenfalls auf die Auseinandersetzung. Dass Karas antreten wird, habe ihn nicht überrascht, sagt Vilimsky später zum STANDARD. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe hat ihn aber doch gewundert.

Heinz-Christian Strache, der den selbst gewählten Papamonat erneut unterbrochen hat, wischt in seiner Rede die Kandidatur von Karas schnell vom Tisch: "Der Herr Karas ist das Problem der ÖVP und nicht unser Problem." Die FPÖ fürchtet offensichtlich ein anderes: Dass ihre Wähler bei der EU-Wahl nicht hingehen. Strache wie Vilimsky appellieren daher, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen. "Ihr müsst begreifen, wie wichtig diese kommende Europawahl ist", erklärt der FPÖ-Chef. Wer zu Hause bleibe, stärkt "nur Macron, Merkel und Juncker". Davor hat schon Vilimsky gewarnt: Es drohe sonst, dass man von den "Willkommensklatschern" weiter malträtiert werde, denn in Wahrheit seien diese "die Zerstörer Europas". Vilimsky soll übrigens am 25. Februar in den Parteigremien dann auch offiziell zum Spitzenkandidaten gekürt werden. Zeitgleich soll auch der Rest der Liste stehen.

"Mehr Not als Lösung"

Von der roten Konkurrenz in dem Wahlgang will sich kein Freiheitlicher fürchten. Andreas Schieder sei bisher überall gescheitert, halten Strache wie auch Vilimsky fest. Schieder sei eine "reine Notlösung" oder: "mehr Not als Lösung", findet Strache. Erklärtes Wahlziel von ihm: über 20 Prozent kommen und die Sozialisten "auf den dritten Platz zu verweisen". Dann nimmt er sich der gesamten SPÖ an: Parteichefin Pamela Rendi-Wagner sei "fast untergetaucht". Genüsslich zitiert er aus einem Brief eines roten Gewerkschafters, der darin mit seinen Parteifreunden abgerechnet hatte. Auch sei die SPÖ verantwortlich für die Migrations-Bewegungen im Jahr 2015: "Österreich hätte sich viel erspart, hätte die SPÖ nicht die Grenzen für alle in unser Sozialsystem geöffnet." Die SPÖ habe diesen Schaden angerichtet. Straches Conclusio: "Es ist gut, dass diese SPÖ aus der Verantwortung gewählt wurde. Und es ist gut, wenn diese SPÖ die nächsten 20 Jahre nicht mehr in eine Regierung kommt." Die Roten hätten "zurecht ihre Kernwähler an uns verloren". Strache: "Wir Freiheitlichen sind im wahrsten Sinne des Wortes die neue Arbeiterpartei." Dass die SPÖ auch Hauptgegner bei der kommenden Wien-Wahl ist, ist schon lange klar. Einmal mehr sein Angriff: "Wien gehört den Wienerinnen und Wienern, aber sicher nicht den Sozialisten."

Blauer Meilenstein

Nicht fehlen dürfen beim blauen Rundumschlag samt Eigenlob für die Regierungsarbeit – etwa der Familienbonus – die Bereiche Asyl und Migration. Er werde dahinter sein, in diesem Jahr, "den politischen Islam gesetzlich zu verbieten", schließt sich der Vizekanzler der Forderung des geschäftsführenden FPÖ-Klubobmanns Johann Gudenus an, der zuvor erklärt hatte, der politische Islam sei der "größte Feind der Freiheit". Was am Samstag auch klar wird: Innenminister Herbert Kickl kommt im eigenen Lager nach wie vor bestens an. Der Applaus ist groß, als Strache sich bei ihm für dessen Arbeit bedankt. Er habe dafür gesorgt, dass die Abschiebungen um 50 Prozent gestiegen seien, und habe so "Österreich ein Stück sicherer gemacht". Dass der UN-Migrationspakt nicht unterzeichnet worden ist, ist für Gudenus wie Strache ein blauer Erfolg, ein "Meilenstein", wie Gudenus meint.

Dass derweil draußen rund 100 Menschen, die dem Aufruf der "Linkswende Jetzt" gefolgt sind, demonstrieren, ist für Vilimsky nur Ansporn, weiterzumachen. "Ihr seid so etwas wie unsere Neujahrsglückschweinchen", sagt er. Seinem Parteichef streut er hingegen Rosen: "Für dich, lieber HC wird der Vizekanzler nicht die letzte Station deiner Karriere sein." Der nimmt das gern auf und sagt: "Wir sind noch lange nicht am Ziel. Es steht bei mir der Vize vor dem Kanzler, das nächste Mal soll der Kanzler davorstehen". Der Jubel ist groß. Für den FPÖ-Chef ist es am Schluss Zeit, Autogramme zu geben, für Fotos zu lächeln. Und Strache verabschiedet sich retour in den Papamonat. (Peter Mayr, 19.01.2019)