Franz Eberhardt (1881–1952) studierte an der Technischen Hochschule von St. Petersburg Ingenieurwesen. Er wurde ebenfalls Offizier und arbeitete ab 1905 in den Boecker-Stahlwerken in Libau.

Foto: Anders Larson

Elsa "Babinka", so erzählt es der Urenkel Anders Georg, war damals eine exzentrische "Hypochonderin, opiumsüchtig und constantly high".

Foto: Anders Larson

Die Erste der Familie, die in den USA landete, war Iris Eberhardt: Sie fuhr im April 1932 in den Hafen von New York ein.

Foto: Anders Larson

Dass sein Vater James Eric Gorton Larson in den späten 50er- und frühen 60er-Jahren Spion im Dienste des amerikanischen Militärgeheimdienstes war, das erfuhr Anders Georg Larson nur bruchstückhaft, aber über seine Motive ließ er ihn nie im Dunkeln: "He hated the Sowjetunion", erzählt er in seinem sympathischen Mix aus Deutsch und Englisch, "weil die Bolschewiken seine aristokratische Familie zerstört hatten."

Zum Gespräch über die dramatische Geschichte seiner Familie bringt der 41-jährige in Wien lebende Brite eine Bleistiftzeichnung aus dem Jahre 1907 mit. Auf dieser ist Leo Tolstoi zu sehen, der russische Großschriftsteller, Tolstois Sohn hat sie für Larsons Großmutter Elsie Eberhardt angefertigt, die damals ein Jahr alt war. Heute ist die Zeichnung im Besitz des Enkels, und auch ein paar Ikonen aus jener Zeit hängen noch über seinem Bett. Aber viele dieser Schätze konnte seine Familie nicht retten, als sie zehn Jahre später vor den Bolschewiken aus Russland fliehen musste und sich in der Folge über die halbe Welt verteilte.

Wie viele Ereignisse passen in ein Leben, fragt er sich, und wie viel Leben in eine einzige Familie? Bis 1917 wohnten die Eberhardts in einem Haus an der Fontanka 172 im russischen St. Petersburg, es hatte "40–50 Zimmer", steht in der Familienchronik zu lesen, und Elsies Schwester Iris erinnerte sich später, als sie längst in New York lebte: "We had a tremendously long corridor and windows overlooking the bay of Finland. We had three cars, but just one chauffeur."

Aber außer an Chauffeuren mangelte es den beiden Mädchen an nichts. Ihr Großvater Victor Eberhardt, der Familienpatriarch und Angehöriger des deutsch-baltischen Adels, verdiente sehr viel Geld im Kohleimport, er operierte mit Lastkähnen und Schleppschiffen auf den Kanälen und Flüssen zwischen Kronstadt und der Wolga. Seine beiden Firmen beschäftigten bis zu 20.000 Leute, und als er im April 1913 mit 63 Jahren starb, war sein Tod der Zeitung Nowoje Wremja, der Neuen Zeit, die Schlagzeile des Tages wert. In Anwesenheit von Abgesandten des Zaren wurde er auf dem Lutheranischen Wolkowo-Friedhof beerdigt.

Seine Frau Sophia war eine in St. Petersburg geborene Ruge mit Wurzeln in Hamburg, ihre Familie war verwandt mit der damals bekannten Hamburger Zirkusdynastie Hagenbeck. Sie gebar Victor acht Kinder, darunter Frederic, der beim russischen Luftfahrtpionier Igor Sikorsky studierte und später in Paris Autos der amerikanischen Nobelmarke Duesenberg verkaufte. Die Töchter Margaret und Victoria sollten die Brüder Konstantin und Shura von Hoerschelmann ehelichen, Angehörige des Preobraschensker Regiments, einer der ältesten Eliteeinheiten der Kaiserlich Russischen Armee.

Anders Georgs Urgroßvater Franz Eberhardt (1881–1952) schließlich studierte an der Technischen Hochschule von St. Petersburg Ingenieurwesen. Er wurde ebenfalls Offizier und arbeitete ab 1905 in den Boecker-Stahlwerken in Libau, dem heutigen Liepāja in Lettland, wo er Elsa "Babinka" Kirchhoff kennenlernte, zur Hochzeit spielte ihnen ein Orchester den eigens für sie komponierten Eberhardt Waltz. Sie bekamen zwei Töchter: Elsie (1906), Anders Georgs spätere Großmutter, und Iris (1911). Den Sommer 1916 verbrachte die glückliche Familie in Tsarskoye Selo, dem heutigen Puschkin. Fünf Kilometer weiter südlich in Pawlowsk befand sich die Sommerresidenz des Zaren, und Iris erinnerte sich später an den tiefen Knicks der Bediensteten: "Our Miss Grabovskya used to curtsey so deeply when the royal family drove by that we always wondered whether she would ever get up again."


Die Eberhardts: In Wien arbeitet der Brite Anders Georg Larson am Stammbaum seiner Familie und deren Geschichte und Geschichten.
Foto: Anders Larson

1. Die russische Revolution

Aber im Jahr darauf, am 12. April 1917, musste der Zar abdanken, und für die Eberhardts begann die jahrzehntelange Geschichte ihrer Flucht. Elsa "Babinka", so erzählt es der Urenkel, war damals eine exzentrische "Hypochonderin, opiumsüchtig und constantly high", und als die Bolschewiken an die Türe ihres Hauses an der Fontanka klopften – in Anders Georgs Worten mit: "Bitch, we take this house in the name of the people!"–, soll sie gesagt haben: "Aber Sir! In der Gegenwart einer Dame zieht man immer seinen Hut!" Die Familie musste in eine Wohnung am Moika-Kanal ziehen, und in der Familienchronik steht über die Tage der Revolution: "Tote Armeekadetten fluteten den Kanal." Iris sollte sich auch an "tote Pferde in den Straßen und Menschen, die Fleisch aus ihnen herausschnitten", erinnern. Bis auf ihre Köchin Luisa war den Eberhardts das gesamte Personal abhandengekommen, aber diese Luisa machte sich jeden Tag in die Außenbezirke der Stadt auf, um dort Fleisch zu kaufen. Einmal jedoch kam sie ohne Einkäufe zurück, und sie erzählte den Herrschaften von ihrem fürchterlichen Verdacht: dass dort draußen nämlich Menschenfleisch verkauft würde. Zu dieser Zeit kam es in St. Petersburg zu Massenexekutionen, die oftmals von Chinesen durchgeführt wurden, und es gingen Gerüchte, dass diese das Fleisch der Toten verkauften.

2. Auf der Flucht

Am 26. Oktober 1918 verließen die Eberhardts Russland mit dem Zug, und weil sie dachten, die Revolution würde bald zu Ende sein, nahmen sie nur wenige Wertsachen mit: ein paar Bronzen, ein paar Perserteppiche, jene Ikonen, die heute über dem Bett von Anders Georg in Wien hängen, sowie die Zeichnung von Tolstoi. Und auch die Bulldogge Chochotte durfte mit auf die Reise. Über Pskow und Riga erreichten sie Libau, wo "Babinkas" Familie, die Kirchhoffs, das Hotel Petersburg besaß. Dort waren Teile der Führung der Weißrussischen Volksrepublik untergebracht, und die damals siebenjährige Iris schrieb in ihren Erinnerungen: "Ich hörte die Bomben über unserem Kopf, und auf die Straßen wurde Stroh gelegt – um die Panzer leise zu machen? Oder die Ambulanzen?" Sie erinnerte sich aber auch, dass eine mütterliche Tante "a very jolly time with the officers posted in Libau" hatte. Im Jänner 1919 erreichte die Familie auf der S.S. Hannover das polnische Stettin, von dort ging es weiter nach Berlin und Nürnberg und schließlich nach "lovely Oberstdorf", wo sie den Sommer verbrachte.

Währenddessen war ihr Hotel in Libau verkauft worden, und die Familie musste nach ihrer Rückkehr 1920 in eine Wohnung in der Kronstraße ziehen. Um seine Familie zu ernähren, ging Vater Franz nach London, wo sich der nun staatenlose Aristokrat über seine guten Kontakte organisierte und zunächst im Hotel Savoy wohnte. Nachdem er seine Frau "Babinka" mit den Töchtern aus Libau nachgeholt hatte, führte er sie in den Dining-Room, wo das Orchestra Colomb für sie den Eberhardt Waltz spielte. Wieder vereint, lebte die Familie in Hyde Park Place und später in Drayton Gardens, sie lebte in einer Wohnung an der Brook Street in Mayfair, in einer an der Holland Villas Road und in einer am Montpelier Square. Franz schaffte es, von London aus die Geschäfte seiner F. V. Eberhard & Co. Ltd. mit Büros in Genua und Algier zu führen, er organisierte die Kohleexporte des deutschen Montankönigs Hugo Stinnes in die Häfen des Mittelmeers.

3. London – Paris – New York

Als diese Geschäftsverbindung aber 1923 zusammenbrach, musste die Familie weiter nach Paris ziehen, wo Elsie und Iris die École Lafayette besuchten. Im Mai 1927 fuhren sie hinaus nach Le Bourget und applaudierten Charles Lindbergh, als er dort die Spirit of St. Louis landete, und alle, so erinnerte sich Iris später, riefen begeistert: "L’aviateur!"

Die Töchter waren auf der Flucht erwachsen geworden, und Iris begann 1929, zur Zeit des Börsenkrachs in New York, in der Pariser Reiseagentur C. C. Drake & Co zu arbeiten. Ein Schritt, der die Geschicke der Familie entscheidend beeinflussen sollte, denn dort organisierte sie "foreign inclusive tours" für betuchte Amerikaner. Als das Ehepaar Johnson sie einlud, mit ihm nach Amerika zu kommen, zögerte Iris nicht, am 5. April 1932 fuhr sie als erstes Mitglied der Familie Eberhardt in den Hafen von New York ein. Schon wenig später lernte sie im noblen Sleepy Hollow Country Club von Scarborough, New York, Jim Scarff kennen, den sie heiratete und mit dem zusammen sie sehr reich werden sollte. Ihre bevorzugte Wohngegend wurde die Park Avenue in Manhattan.

Ihre Mutter "Babinka" hingegen hatte zu dieser Zeit das restliche Vermögen der Familie veräußert und mit einer Boutique in Paris ein Finanzdesaster erlitten, und auch ihr Vater Franz war im Exil geschäftlich nicht mehr erfolgreich. Iris beschrieb ihn später als "defeated man": "We were ex-rich people who could not adapt themselves to poverty."

Es war diese Niederlage, erzählt Anders Georg Larson nun, aus der sich später der Hass seines Vaters auf die Sowjetunion speisen sollte. Aber wie kam es, dass er Amerikaner wurde und für die USA als Spion arbeiten sollte? Dramatische Umstände spielten eine Rolle, erzählt er, als Großmutter Elsie, die nach Libau zurückgekehrt war, den Dänen Anders Peter "Appe" Larson kennenlernte. Dieser reiste als Kork-Vertreter durch Eu ropa und wurde wegen seines arischen Aussehens in Deutschland hoch geschätzt, er seinerseits schätzte die dort aufkommenden Nazis: "They know how to treat a man!", soll er stets begeistert gesagt haben. In einem verzweifelten Brief schrieb die verliebte Elsie an ihre Schwester Iris in New York: "Appe tells me that unless we can marry right away he will sleep with another woman."

Über Europa lagen bereits die Schatten des nahenden Krieges, als es schließlich doch noch zur Hochzeit kam, und 1935 schenkte Elsie ihrem zweiten Sohn James Eric Gorton Larson das Leben. Ein Jahr später zog die Familie wieder weiter, diesmal nach Estoril in Portugal, wo Elsie ein Verhältnis mit Michael Neuberger begann, dem Sohn einer ehemals reichen jüdischen Anwaltsfamilie aus Bayern, der zunächst vor den Nazis nach Wien geflüchtet war. Der Krieg hatte begonnen.

Die Schwestern Elsie und Iris Eberhardt lebten mit ihren Eltern vor ihrer Flucht in einem Haus im russischen St. Petersburg.
Foto: Anders Larson

Es war Iris, die mittlerweile Amerikanerin geworden war und so ihrer Familie den rettenden Ausweg bieten konnte. Sie holte alle nach New York, wo sich Elsie 1940 von "Appe" scheiden ließ und wenig später Michael Neuberger heiratet, dem ebenfalls die Flucht nach New York gelungen war, Anders Georg nannte ihn später "Grandpa Michael". Während des Zweiten Weltkriegs diente er bereits aufseiten seiner neuen Heimat als "map reader" im Pazifik-Krieg, nach dem Ende des Krieges arbeitete er bei Beech Aircraft, einem Flugzeughersteller in Wichita, Kansas, wohin ihm Elsie mit den beiden Söhnen folgte. Als aber ihr Erstgeborener Anders Peter 1957 beim Absturz eines B-52-Bombers im US-Bundesstaat Maine ums Leben kam, hatte "Grandpa" Michael Großmutter Elsie längst wieder verlassen.

4. Sein Vater, der Spion

Einzig Sohn James Eric Gorton war ihr geblieben. Er studierte zunächst in Kansas und später an der angesehenen Georgetown University Politikwissenschaften. "Mein Vater hätte eine erfolgreiche Universitätskarriere einschlagen können", erzählt der Sohn, aber der Hass auf die Kommunisten trieb ihn zur Armee. Dort wurde er zum Geheimdienstoffizier ausgebildet und an den US-Stützpunkt im bayerischen Marktredewitz versetzt, wo er in den späten 50er- und frühen 60er-Jahren am unteren Drittel der deutsch-tschechischen Grenze als Spion operierte mit dem Auftrag, Wissenschafter von jenseits der Grenze in den Westen zu entführen. Ende der 1960er, erzählt sein Sohn, wurde er schließlich von einem ungarischen Agenten in einem Lokal in Hamburg enttarnt. Dieser wollte ihn töten, aber die Waffe funktionierte nicht. Also schlug er sie ihm ins Gesicht, wovon eine große Narbe an der Oberlippe zurückblieb, die er sein Leben lang hinter einem dichten Bart verstecken sollte.

Währenddessen war Anders Georgs Großvater "Appe" Larson in New York verarmt, er hatte nach dem Krieg auf das englische Pfund spekuliert und alles verloren. Von seiner "Mansion mit privatem Dock auf Long Island", so erzählt der Enkel, musste er in ein "shabby little apartment in Manhattan" ziehen, wo er in den 60ern starb. Weil er verschuldet war, sperrten die Gläubiger seine Wohnung in der Hoffnung, dass sie Verwertbares verkaufen könnten. James Eric Gorton, der Geheimdienstoffizier, kehrte ein letztes Mal nach New York zurück, brach in diese Wohnung ein und holte die wenigen Gegenstände heraus, die heute noch an ihre Familiengeschichte erinnern: die Ikonen, die heute über dem Bett von Anders Georg hängen, und die Zeichnung von Tolstoi. Anschließend verließ er Amerika für immer und ging nach London.

5. England

Dort lernte er Penelope "Penny" Scott kennen, die noch heute in England lebt und "very British" ist. "She is completely liberal and fights with her mouth!", schwärmt ihr Sohn. Pennys Vater hieß George Scott und kam halbseitig gelähmt zur Welt, über ihn erzählt sein Enkel begeistert: "He was not expected to live. But he did live!" Als Kind warf man ihn in ein Taufbecken, und als man ihn herausholte, war er halb erfroren. "Er erinnerte sich sein Leben lang an dieses Ereignis und schwor sich, dass er sich nie von jemandem sagen lassen würde, was er zu tun hat!" So wurde er zu einem fanatischen "Liberalen im britischen Sinn" und Bürgermeister der kleinen ostenglischen Küstenstadt Great Yarmouth.

Seine Tochter Penny hatte den Freiheitsdrang des Vaters übernommen und wollte nicht in jenem Hotel arbeiten, das ihre Familie damals besaß. Stattdessen, so erzählte sie es später dem Sohn, schlug sie eines Tages die Times auf und fand darin ein Inserat: "Seeking hostess for luxury yacht in Morocco." Sie nahm Geld aus der Hotelkasse und reiste dorthin, aber die Luxusyacht war nur ein kleines Schiff, und der Betrunkene darauf wollte sie als Prostituierte arbeiten lassen. Auf ihre britische Art soll sie gesagt haben: "You know, I’m sorry. But I don’t want to do that."

An wie vielen Orten kann man leben?Georg Anders Larsons Vater James Eric Gorton Larson mit dem Bruder Anders Michael Larson.
Foto: Anders Larson

Das war eines der vielen Abenteuer der Penny Scott, bevor sie den amerikanischen Exspion James Eric Gorton Larson heiratete und 1971 in London ihren Sohn Anders Georg zur Welt brachte. Die Familie zog nach Norfolk im englischen Nordosten, wo Anders Georgs Vater in der Folge mit seinem Leben haderte: Der Nachkomme reicher deutsch-baltischer Aristokraten lebte nun tausende Meilen entfernt sowohl von New York als auch von St. Petersburg in diesem armen Teil Englands und war darüber depressiv geworden.

Über seine Zeit als Spion redete er mit seinem Sohn nur wenig, meist dann, wenn sie in den 70er-Jahren gemeinsam die von John le Carré entworfene TV-Serie Tinker Taylor Soldier Spy schauten. "The weird thing about spies", sagt Anders Georg, "es gibt die Figur, die du bist, und die, die du zeigst. Und dieser Spalt geht niemals zu." Dar um hätten viele Exspione Probleme mit ihrem späteren Leben, so auch sein Vater, der vor drei Jahren starb. Als er ihn noch einmal in Wien besuchte, spuckte er voll Abscheu auf das Russendenkmal am Schwarzenbergplatz, als sie daran vorbeikamen.

6. Der Sohn

Das "Getriebene" der Familie setzt sich in Anders Georg Larsons Leben fort. Bereits im Alter von 15 Jahren verließ er die Heimat seiner Mutter und zog zunächst nach New York, dann nach Washington. Dort fand er einen Job in einem "very fancy Kleidergeschäft" und mietete "an old room from an old army dude named Captain Ned Fuller". Dieser sprach fließend Deutsch und "war der rechteste Republikaner, den du dir vor stellen kannst". Wenn Präsident Clinton im Konvoi durch Washington fuhr, stand er am Straßenrand und beschimpfte ihn: "Fuckin’ bastard!" Von Washington zog Anders Georg schließlich nach Philadelphia, wo er bis zu seiner Übersiedlung nach Wien vor fünf Jahren lebte.

Wie viel Leben passt in eine einzige Familie? An wie vielen Orten kann man leben? Das fragt er sich, wenn er von Wien aus nach Osten blickt, wo vor hundert Jahren seine Großmutter lebte, oder nach Westen, wo er selbst lange Jahre in Amerika verbrachte. Und er, dessen Familie in der Vergangenheit um die halbe Welt flüchten musste, blickt in eine nahe Zukunft, in der immer mehr Länder wieder die Grenzen dichtmachen, und schon bald wird das Heimatland seiner Mutter nicht mehr zur EU gehören.

Anders Georg erzählt zum Abschied von seiner Tante Suzie, Tochter von Iris, die kurz vor Jahresende in den USA starb. Sie hinterließ drei Kinder: Eines besitzt eine Ranch in Neuseeland, eines wohnt auf den Cayman-Inseln, und das Dritte "ist mit einem Investmentbanker verheiratet und pendelt zwischen Cambridge und Hongkong". Einmal sagte Auntie Suzie: "Meine Kinder brauchen ihre Geschichte nicht. Sie bedeutet ihnen nichts." Für sie bedeutete ihre Geschichte alles. Und so geht es auch Anders Georg Larson, Sohn von James Eric Gorton Larson, Enkel von Elsie Eberhardt, Urenkel von "Babinka", wenn er die Ikonen über seinem Bett betrachtet, die einst in einem riesigen Haus an der Fontanka 172 in St. Petersburg hingen, mit einem "tremendously long corridor and windows overlooking the Bay of Finland". Bald möchte er dorthin fahren und sich die "40 bis 50 Zimmer" anschauen, in denen auch für ihn alles begann. (Manfred Rebhandl, Album, 18.1.2019)


Der 41-jährige in Wien lebende Brite Anders Larson ist übrigens auch vom bevorstehenden Brexit betroffen. Im kürzlich geführten Video-Interview mit dem STANDARD spricht er über seine Befürchtungen, die ein Austritt Großbritanniens aus der EU mit sich bringt.
DER STANDARD