Es gibt ja nicht viel, was man an der grotesken Chaoskatastrophe, die wir Brexit nennen, schön finden kann. Dass man als Kontinentaleuropäer ein bisschen mehr vom britischen Parlamentarismus auf dem Bildschirm sieht, gehört zu den ganz seltenen, dafür umso helleren Lichtblicken. Die faszinierende Mischung aus hochformeller Zeremonie in Prunkarchitektur und zügellosem Geschrei der einander gegenübersitzenden Abgeordneten trägt dazu bei – aber auch der Sprecher des Unterhauses, John Bercow, spielt eine ganz besondere Rolle.

The Independent

Denn wenn es ihm zu laut wird, sagt, ruft, schreit, brüllt oder singt Bercow geradezu "Order!" (oder: "Ooorder!", oder: "Ordeeer!") – das war auch so, kurz bevor am Dienstagabend das Ergebnis der Abstimmung über Theresa Mays Brexit-Deal verkündet wurde. Da zeigte Bercow die ganze Bandbreite seiner melodischen "Order!"-Variationen, einmal laut und heftig, die erste Silbe hoch, die zweite tief; danach ruhiger und von tief zu hoch.

Auch inhaltlich hat der konservative Politiker seine Sternstunden – etwa als er den damaligen Außenminister Boris Johnson ausführlich rügte, weil dieser eine Abgeordnete mit dem Titel ihres Mannes angesprochen hatte ("I’m not having it in this chambre!"). Oder den damaligen Premierminister David Cameron, weil dieser einen Abgeordneten als Trickser bezeichnet hatte. Das sei "frankly unparliamentary", schimpfte der Sprecher des Unterhauses.

Politics Teaching

Neben alldem beweist Bercow auch Schmäh, vor allem, wenn er Abgeordnete zur Ruhe auffordern muss: Einen sehr aufgeregten Wahlkreisvertreter mahnte er einmal: "Sie müssen sich beruhigen! Fangen Sie mit Yoga an." (Sebastian Fellner, 16.1.2019)