In der Nacht auf Dienstag wurde eine Jugendliche ermordet. Um in Ruhe ermitteln zu können, stellten Einsatzkräfte ein Zelt auf.

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In der Nacht auf Dienstag wurden die Einsatzkräfte der Polizei um 1.15 Uhr zum Wiener Hauptbahnhof gerufen. Die Polizisten versuchten, eine 25-jährige Frau zu reanimieren, sie starb noch am Einsatzort. Wenige Stunden später gestand ihr 21-jähriger Bruder, sie mit einem Messer getötet zu haben.

Die traurige Liste der Gewaltfälle gegen Frauen lässt sich fortsetzen. Manche enden mit einer ambulanten Behandlung, wie etwa Montagabend, als im oberösterreichischen Attnang-Puchheim ein Mann seine Frau auf einem Parkplatz mit einem Messer verletzte. Andere sind von erschreckender Brutalität gekennzeichnet. In Wien-Donaustadt ertränkte ein Mann kurz vor Weihnachten seine Ehefrau in ihrer Badewanne. Weil er einen Selbstmordversuch vortäuschen wollte, schnitt er ihr mit einer Schere in den Unterarm.

Am Sonntag wurde in einem Park in Wiener Neustadt unter Blättern und Ästen eine 16-Jährige gefunden, sie war erstickt worden. Am Montag gestand ein 19-Jähriger die Tat. Zwei weitere Frauen aus Niederösterreich waren in der vergangenen Woche Opfer von tödlichen Messerangriffen, beide Male waren die Täter Männer.

Anlass für Diskussion

Eifersucht, verletzte Eitelkeiten, Trennung: Das seien wesentliche Merkmale, die ein Großteil der jüngsten Fälle gemeinsam habe, sagt Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl. Die Vorgänge deuten auf Affekttaten hin, die mutmaßlichen Täter wurden erwischt. Die aktuellen Fälle solle man als Anlass zur Diskussion darüber nehmen, wie man Geschlechterstereotype aufbrechen und dadurch Eskalationen vermeiden könne: "Wir müssen dafür sorgen, dass Frauen und Kinder die Möglichkeit haben, aus gewaltförmigen Beziehungen rauszukommen." Auch Täterarbeit sei enorm wichtig. "Die wenigsten sagen: Der Sinn meines Lebens ist, Frauen umzubringen."

Mordopfer, das zeigt eine Auswertung des Bundeskriminalamts, sind häufiger weiblich als männlich. Seit 2009 gab es nur in einem Jahr weniger weibliche als männliche Mordopfer. Allein 2018 wurden zwischen Jänner und November – für Dezember laufen noch Ermittlungen – 41 Frauen und 29 Männer ermordet.

Seit 2009 wurden nur in einem Jahr mehr Männer als Frauen ermordet.
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Daraus eine allgemeine gesellschaftliche Entwicklung abzuleiten wäre noch zu früh, sagt Kreissl: Die Häufigkeit liege innerhalb der zufälligen Schwankungsbreite. Was man aber sagen könne: Häusliche Gewalt wird häufiger angezeigt. Das kann einerseits auf eine Zunahme der Gewalt hindeuten – andererseits aber auch darauf, dass Frauen mehr Selbstbewusstsein haben, die Taten nicht mehr hinzunehmen.

Täter und Opfer stehen bei Morddelikten häufig in einer Beziehung zueinander, sei es familiär oder als Paar. 16 der Mordopfer des Jahres 2018 standen mit dem Täter in einem Bekanntschafts-, 37 in einem familiären Verhältnis. Nur bei jedem sechsten Mordfall gab es keinerlei Beziehung. Das ist kein Zufall. "Das Leben ist hinter der Wohnungstür viel gefährlicher als davor", sagt Kreissl. Schlüsselfaktoren seien Erziehung und Rollenbilder: "Jedem muss klar werden, dass kein Mensch als Eigentum eines anderen anzusehen ist."

Fälle analysieren

Die Bundesregierung hat ihre angekündigten Maßnahmen in Sachen Gewaltschutz noch nicht präsentiert. Karoline Edtstadler, Staatssekretärin im Innenministerium, leitet die Taskforce Strafrecht. Zum einen stehen höhere Strafen im Raum, etwa bei Wiederholungstätern. Bei Vergewaltigungen soll es keine gänzlich bedingten Strafen mehr geben. Der andere Bereich betrifft den Opferschutz und die Täterarbeit. Angestrebt wird ein niederschwelliger Zugang zu Opferschutzeinrichtungen.

Staatssekretärin Edtstadler zu Frauenmorden in der ZiB2.
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Außerdem soll der Datenaustausch zwischen Behörden vereinfacht werden. "Datenschutz darf kein Täterschutz sein", sagt Edtstadlers Sprecher. Beim Betretungsverbot überlegt die Taskforce eine Bannmeile, ähnlich wie beim Stalking. Die Vorschläge werden von einer Lenkungsgruppe begutachtet. Zum Halbjahr soll es Ergebnisse geben.

Offen sind die vom Frauenministerium in den Raum gestellten 100 zusätzlichen Plätze in Frauenhäusern. Das Innenministerium will eine Screening-Gruppe einrichten. Sie soll Mordfälle, die seit 1. Jänner 2018 verübt wurden und als Beziehungstat eingestuft werden, aufrollen, screenen und analysieren. Beleuchtet werden sollen die Vorgeschichte des Täters, die Opfer-Täter-Beziehung und Opfer-Täter-Charakteristika. (Rosa Winkler-Hermaden, Gabriele Scherndl, Vanessa Gaigg, 15.1.2019)