Nur sie weiß, was Trump und Putin in Helsinki tatsächlich besprochen haben: Marina Gross.

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Fast zwei Stunden sprachen Donald Trump und Wladimir Putin unter vier Augen, als sie sich im vorigen Juli in Helsinki begegneten. Man habe eine Reihe mündlicher Abmachungen getroffen, ließ der Kreml hinterher wissen. Bei den Amerikanern allerdings wusste bis auf den eigenen Präsidenten niemand zu sagen, ob das mit den Absprachen stimmte. Und wenn ja, worauf sich Trump mit seinem russischen Amtskollegen geeinigt hatte.

"Ich vermag weder komplett zu verstehen noch darüber Auskunft zu geben, was in Helsinki geschah", antwortete ein sichtlich verschnupfter Dan Coats, der Koordinator der US-Geheimdienste, vier Tage nach dem Gipfel auf die Frage eines Reporters. Abgesehen von Trump gibt es nur eine, die in der Lage wäre, Auskunft zu geben: Marina Gross, die Dolmetscherin.

Auf amerikanischer Seite war nur Gross dabei, als sich die beiden Protagonisten in ein Separee zurückzogen, um ungestört reden zu können. Bei seiner Gesprächspremiere mit dem russischen Präsidenten im Juli 2017 während des G20-Gipfels in Hamburg hatte Trump noch seinen Außenminister dazugeholt, den mittlerweile entlassenen Rex Tillerson. In der finnischen Hauptstadt war das anders. Zudem erklärte er dort vor der Presse, er glaube Putin, wenn der ihm versichere, Russland habe sich 2016 nicht in den US-Wahlkampf eingemischt – womit er seinen eigenen Geheimdiensten dezidiert widersprach.

Für Trumps Kritiker jedenfalls markiert Helsinki den Höhepunkt eines Schmusekurses gegenüber Moskau, den sie sich mit normaler Politik nicht erklären können. Höchstens damit, dass Putin etwas gegen Trump in der Hand hat, womit er ihn gegebenenfalls erpressen kann.

Geheimniskrämerei Trumps

"Wie ich sagte: eine Marionette", twitterte Hillary Clinton, nachdem Medienberichte einmal mehr die vermeintliche "Russia Connection" des früheren Immobilienunternehmers beleuchtet hatten. Zunächst berichtete die "New York Times" über Untersuchungen des FBI, das wegen Spionageverdachts gegen Trump zu ermitteln begann, nachdem der FBI-Direktor James Comey gefeuert worden war. Konnte das Weiße Haus dies noch als Intrige rachsüchtiger Freunde Comeys abtun, so geriet es nach Enthüllungen der "Washington Post" schon eher in Erklärungsnot.

Trump, fasste die Zeitung das Ergebnis ihrer Recherchen zusammen, versuche offenbar bewusst zu vernebeln, was er mit Putin berede. Vor anderthalb Jahren in Hamburg musste ihm der anwesende Dolmetscher demnach die Gesprächsnotizen aushändigen, während er zudem seinen Chefdiplomaten zum Stillschweigen verdonnerte. Weder sein damaliger Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster noch Fiona Hill, die Russland-Expertin des Nationalen Sicherheitsrats, sollen viel erfahren haben über die Substanz des Dialogs. In Helsinki dann, schreibt das Blatt, habe Trump die Geheimniskrämerei auf die Spitze getrieben.

Aussage vor dem Kongress

Die Frage nach den Gründen will die Opposition endlich beantwortet haben. "Hier geht es um unsere nationale Sicherheit. Wir müssen wissen, worauf sich der Präsident in Helsinki einließ", sagt Joe Kennedy, Kongressabgeordneter und Spross einer berühmten Familie, einer der aufstrebenden Stars der Demokraten. "Wir sollten einen Weg finden, um es in Erfahrung zu bringen." Für Kennedys Parteifreund Adam Schiff ist der Weg klar: Die Übersetzerin soll vor dem Kongress aussagen.

So hat er es bereits vor sechs Monaten gefordert, nur wurde er damals von den Republikanern im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses überstimmt. Inzwischen leitet er das Komitee, in dem die Demokraten im Zuge ihres herbstlichen Wahlsiegs nunmehr die Mehrheit bilden. Schiff könnte durchsetzen, was er im Sommer vergebens anstrebte. Allerdings würde er Marina Gross damit in schwere Gewissenskonflikte stürzen: Allein das Berufsethos gebietet es ihr, strikte Vertraulichkeit zu wahren. (Frank Herrmann aus Washington, 16.1.2019)