Kleider gibt's in dem eingespielten Ensemble auch für die Männer.

Foto: Matthias Heschl

Was, wenn das Quellenverzeichnis zu einem Theatertext fast so lang ist wie er selbst? Gut, das ist übertrieben. Aber drei Seiten Referenzangaben hängen an Enis Macis Stück Autos schon dran. Sie setzen sich zusammen aus Berichten über die harte Kindheit und den mutmaßlichen Suizid des Sängers Daniel Küblböck, aus einer Doku über Ameisen, aus Songtexten ...

Der 1993 in Gelsenkirchen geborenen Autorin wird gern die Logik des Internets zugutegehalten: wie es seine Informationspartikel verknüpft oder nebeneinander auf Bildschirmen und in unseren Timelines auftauchen lässt. In Autos geht Maci aber ein paar technische Neuerungen weiter zurück. Sie erwählt ein Autoradio zum scheinbaren Zufallsgenerator des Bühnengeschehens.

Kurz zusammengefasst geht die Handlung so: Die Geschwister sind am Weg zum Ort, an dem der Großvater starb. Im Auto auf der Fahrt nach Südosteuropa, wo ihre Wurzeln liegen, erzählen sie einander Erinnerungen. Ins Gespräch mischen sich Beiträge aus dem Radio. Im Schauspielhaus Wien feierte Autos nun Premiere. Es ist die zweite Uraufführung eines Stückes von Maci hier nach Mitwisser (2018).

Die Kunst des "Lalala"

Die Bühne bildet eine leere weiße Schräge (Korbinian Schmidt), über deren Ende heftige Visuals zucken. Regisseur Franz-Xaver Mayr lässt die fünf tollen Darsteller in schwarzen Kleidern auftreten. Johanna Baader, Simon Bauer, Steffen Link, Vassilissa Reznikoff und Sebastian Schindegger sprechen viele Passagen chorisch, dann wieder treten sie einzeln aus der Gruppe vor.

Mayr ist spezialisiert auf solche Texte, die keine Handlung mit Spannungsbogen kennzeichnet. Er versucht nicht, dem so zersplitterten Text mit realistischen Szenen oder als Ganzem beizukommen, sondern spielt mit kleinen sich bietenden Gelegenheiten. So gibt es etwa eine Fülle an regionalradiotauglichen Liedern, in denen die Lautfolge "Lalala" eine stilbildende Funktion innehat. Mayer lässt sie auf das Lalala zusammengeschnitten im Autoradio laufen.

Im Burgtheater-Kasino hat Mayr im Herbst europa flieht nach europa von Miroslava Svolikova famos auf die Bühne gebracht. Im Schauspielhaus geht es ruhiger und weniger bunt zu. Aber mit gleich viel Präzision. Wie gewohnt, lässt der Regisseur die Darsteller auch singen. Rhythmisch gesprochene Zeilen über den Wolfgangsee steigern sich zur volkstümlichen Mitklatschnummer. Heiter unterstreicht und konterkariert das zugleich den Text, in dem das Gewässer "von Arbeitslosen unbelastet" ruhig daliegt.

Außenseiter und Autos

Wenn einer vortritt und über die argentinische Ameise spricht, die in Südfrankreich als Einwanderer heimische Arten verdrängt, ist die Anspielung klar. Er hat Mühe, so ein kleines Vieh auf der Hand zu behalten. Bald, macht das famose Spiel glauben, steigt es ihm über den ganzen Körper.

Es geht außerdem um enttäuschte Hoffnungen von Gastarbeitern, um die erste Amokfahrerin der Weltgeschichte, um das schwierige Verhältnis von Sohn Walter zum 2017 verstorbenen Vater und deutschen Altkanzler Helmut Kohl. Man findet in jeder Szene für sich genommen Rührendes oder Erhellendes. Aber was hat das eineinhalb Stunden lang miteinander zu tun?

Es geht um Außenseiter, hilft das Programmheft auf die Sprünge. Das macht die Mischung der vagen Szenen letztlich sinnhafter, als es anfangs scheint. Die Belege im Programm, dass alle Figuren tatsächlich einmal Kontakt mit einem Auto hatten, hätte es hingegen nicht gebraucht. (Michael Wurmitzer, 14.1.2019)