Wien – Mag Gerhard K., wie er selbst sagt, "schwarzen Humor" und "Satire" und ist gleichzeitig mit "extremer politischer Blödheit" ausgestattet, wie es sein Verteidiger Gregor Rathkolb formuliert? Oder hat sich der 47-Jährige zwischen 2015 und 2017 der nationalsozialistischen Wiederbetätigung schuldig gemacht, indem er via Whatsapp an die 50 einschlägige Beiträge verbreitete, wie die Staatsanwältin überzeugt ist? Diese Frage muss das Geschworenengericht unter Vorsitz von Georg Olschak im Prozess gegen den unbescholtenen Arbeiter klären.

Das Verfahren ist in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich. Erstens geht es um den Hintergrund, wie die Ermittler auf die Spur des Angeklagten gekommen sind. Auf dem Mobiltelefon eines rechten Recken waren die Dokumente sichergestellt worden. Der Betroffene ist nicht irgendjemand, sondern eine Szenegröße, die 1993 im Zusammenhang mit der Briefbombenserie verhaftet, aber freigesprochen worden ist und in jüngerer Vergangenheit in Wiener Neustadt wegen Wiederbetätigung verurteilt wurde.

Über Szenegröße auf die Spur gekommen

"Ich habe den kennengelernt, da er vor 26 Jahren mit meiner Ex zusammen gewesen ist", behauptet der Angeklagte, der optisch ein wenig an Jetzt-Abgeordneten Alfred J. Noll erinnert, auf die Frage seines Kontaktes mit dem Mann. "Der Herr hatte zu der Zeit ja einige Probleme", verweist der Vorsitzende auf den Briefbombenverdacht. "Das wusste ich nicht", beteuert K. darauf. "Also bitte, jeder in unserem Alter weiß, wer die beiden Herren waren", mag ihm Olschak das nicht recht glauben.

Der Angeklagte bleibt aber dabei: Er habe den Betroffenen zufällig kennengelernt, nur einmal getroffen, und einmal habe der sich bei ihm telefonisch gemeldet. "Mittlerweile weiß ich alles", verweist er auf die "Hintergrundinformationen", die ihm Polizei und Verteidiger mittlerweile gegeben hätten. Und bei einigen Nachrichten des Mannes habe er sich schon "Öha!" gedacht, beeilt K. sich zu versichern. "Wenn ich mir 'Öha!' denke, ist die Nummer gelöscht und gesperrt, so schnell kann man gar nicht schauen", kontert der Vorsitzende.

Das zweite ungewöhnliche Element des Prozesses ist, dass zwei seiner Urgroßeltern im deutschen Vernichtungslager Auschwitz ermordet worden seien, wie K. in der Raum stellt. "Weil man behauptet hat, sie seien jüdischer Herkunft." Umso verblüffender ist es, dass eines der verschickten Bilder den Eingang zum Stammlager Auschwitz zeigt – der zynische Schriftzug "Arbeit macht frei" ersetzt durch "Asylantenheim" und die Zusatzinformation "Wir haben wieder geöffnet", wie sich Beisitzerin Nicole Baczack wundert.

Pünktliche Weihnachtsgrüße mit Hakenkreuz

Zu Weihnachten verschickte K. Bilder von Adolf Hitler mit einer roten "Santa Claus"-Mütze, aber auch Grußkarten mit Hakenkreuzen. Hitler scheint ihn überhaupt beschäftigt zu haben: Auch eine Szene aus dem Film "Mein Führer", in dem der deutsche Komiker Helge Schneider Hitler spielt, hat er verbreitet.

"Es ist ein Selbstläufer geworden, irgendwer hat angefangen. Heute bereue ich es zutiefst", verteidigt sich der Angeklagte, dass er sich an der losen Gruppe beteiligt habe. "Ich habe teilweise überhaupt nicht geschaut, was auf den Bildern zu sehen ist, sondern einfach auf Weiterleiten gedrückt."

Was eine Geschworene ihm nicht recht glauben mag: "Es stimmt mich nachdenklich, dass Sie überhaupt so was bekommen", merkt sie an. Außerdem scheint der zusätzlich wegen Verhetzung angeklagte Mann bei der Auswahl der Empfänger durchaus selektiv vorgegangen zu sein, wie Olschak auffällt.

Etwa bei dem Spruch "Ich habe türkisches Blut. Nicht in meinen Adern, aber auf der Stoßstange". – "Haben Sie das auch Ihren türkischen Arbeitskollegen geschickt?", interessiert den Vorsitzenden. "Ich habe deren Nummer nicht", entschuldigt K. sich. Aber seine Tochter gehe "in einen Multikulti-Kindergarten, der von einem Türken geführt wird. Sie soll selbst entscheiden, wer ihre Freunde sind", bringt er vor.

Rechtfertigung mit Hinweis auf Verfolgung von Christen

Weitere Beispiel seines "schwarzen Humors": das Bild einer Gaskammer, kombiniert mit dem Liedtitel "Atemlos durch die Nacht"; von SS-Männern erschossene Zivilisten samt den Worten "Asylantrag abgelehnt"; und das Bild einer dunkelhäutigen Schwangeren, auf deren Ultraschallbild ein Affenbaby zu sehen ist. "Das ist Satire. Das mit der Darwin-Theorie", rechtfertigt K. sich. "Die Evolutionstheorie ist jetzt nicht unbedingt Satire", reagiert Olschak trocken. Islamfeindliche Machwerke kontert K. mit dem Hinweis, dass Christen genauso verfolgt werden würden.

Verteidiger Rathkolb versucht nochmals zu verdeutlichen, dass sein Mandant nichts mit NS-Ideologie am Hut habe, schließlich seien bei einer Hausdurchsuchung keinerlei einschlägige Devotionalien sichergestellt worden.

Die Geschworenen glauben K. schließlich nicht, dass er lediglich "schwarzen Humor" verbreiten wollte, und sprechen ihn schuldig, die Strafe beträgt 18 Monate bedingt. Der Angeklagte nimmt die Entscheidung an, die Staatsanwältin gibt keine Erklärung ab, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. Die Übermittlung der Schneider-Filmszene wurde übrigens freigesprochen. (Michael Möseneder, 15.1.2019)