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Die türkische Lira hat im Jahresvergleich zum US-Dollar rund ein Drittel des Wertes eingebüßt.

Foto: REUTERS / MURAD SEZER

Istanbul – Dass Donald Trump gerne Politik per Twitter betreibt, ist allgemein bekannt. Am Sonntag drohte er wieder einmal mit der "ökonomischen Zerstörung" eines Staates. Es traf – nicht zum ersten Mal – die Türkei. Der US-Präsident twitterte am Wochenende, er werde die "Türkei wirtschaftlich vernichten", wenn diese die Kurden angreife. Diese sollten ihrerseits "die Türken auch nicht provozieren". Die türkische Lira gab daraufhin um knapp drei Prozent gegenüber dem Dollar nach.

Trumps Tweets sind allerdings mehr als megalomane Drohungen. Die Türkei leidet noch immer unter einer Finanzkrise, die von Trumps Twitter-Aktivitäten mitausgelöst wurde. Im vergangenen Sommer weigerte sich Ankara, einen inhaftierten amerikanischen Pastor freizulassen. Der US-Präsident drohte auf Twitter daraufhin mit Strafzöllen und wirtschaftlichen Sanktionen. In der Folge stürzte die Währung des Schwellenlandes regelrecht ab. Bekam man im Jänner vergangenen Jahres für einen Dollar 3,75 türkische Lira, waren es im August auf dem Höhepunkt der Krise 6,8 Lira.

Der Verfall der Währung wiederum hat türkische Unternehmen in Bedrängnis gebracht. Viele hatten sich in den vergangenen Jahren zu guten Konditionen in Euro und Dollar verschuldet. Mit einer fallenden Währung steigt deren Zinslast, die Folge sind Zahlungsausfälle und Insolvenzen. Zahlreiche Ökonomen rechnen deswegen mit einer Rezession für 2019.

Teure Einfuhren

Außerdem verteuern sich Importe, was wiederum die Inflation anheizt. Diese hatte im Oktober einen Spitzenwert von 25 Prozent erreicht. Seitdem ist die Preissteigerung zwar leicht rückläufig, aber mit 20 Prozent immer noch schmerzhaft hoch für viele türkische Konsumenten. Die schwache Währung trifft vor allem die Mittelschicht, die sich nun Reisen ins Ausland oder Studienaufenthalte nicht mehr leisten kann. Aber auch ärmere Schichten leiden unter den Preissteigerungen für Verkehr, Strom, Wasser und Lebensmittel.

Die türkische Regierung setzt das unter Druck, denn im März sind Kommunalwahlen. Die AKP-Regierung befürchtet, unter anderem Istanbul, die mit 16 Millionen Einwohnern größte Stadt des Landes, an die Oppositionspartei CHP zu verlieren. Die AKP regiert dort und in der Hauptstadt Ankara seit 25 Jahren.

In Ankara reagierte man mit Unverständnis auf Trumps Tweet. Regierungssprecher Ibrahim Kalin antwortete, Trump solle nicht den "fatalen Fehler begehen und YPG und Kurden gleichsetzen". Erstere sei eine Gruppe, die sich auch auf der US-Liste terroristischer Organisationen befinde. Erdogans Kommunikationschef Fahrettin Altun ging noch einen Schritt weiter und bezeichnete die Türkei als "Beschützerin der Kurden".

Die Verwirrung war entstanden, nachdem Trump Ende Dezember überraschend den Rückzug der US-Truppen aus Syrien angekündigt hatte. In den folgenden Tagen aber ruderte Trump zurück und verschob selbigen mehrmals. Ankara sieht die YPG als verlängerten Arm der PKK. Durch einen Abzug der US-Truppen erhielte die Türkei die Möglichkeit, relativ ungehindert gegen die Miliz vorzugehen. Ankara fordert seit Jahren die Einrichtung einer 30 Kilometer breiten Sicherheitszone auf der syrischen Seite der Grenze. (Philipp Mattheis aus Istanbul, 14.1.2019)