Pressekonferenz im Anschluss an die Ministerpräsidentenkonferenz auf Schloss Halberg in Saarbrücken am 20.10.2017.

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Ein guter Journalist, eine gute Journalistin ist neutral und meinungslos, berichtet objektiv, und falls er oder sie doch etwas bewerten möchte, dann hat das in den Meinungsspalten zu passieren, klar und deutlich gekennzeichnet. Einiges an diesem alten Postulat ist falsch und eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit.

Das Konzept der Objektivität spricht dem Journalisten seine Menschlichkeit ab. Denn wie alle anderen Menschen haben auch Journalisten natürlich Meinungen, die von ihrer Sozialisation und Biografie, von ihren Vorlieben und Vorurteilen abhängig sind. Ein Vegetarier wird eine Reportage aus einer Schweinezucht anders gestalten als ein leidenschaftlicher Fleischesser; eine junge Mutter wird der Bildungsministerin andere Interviewfragen stellen als ein Mann in seinen Sechzigern.

Das Versprechen der Objektivität führt die Journalisten selbst in eine Falle: Es hindert sie daran, den eigenen Standpunkt ständig zu hinterfragen und eingefahrene Recherchewege gelegentlich zu verlassen, indem sie zum Beispiel nicht immer die gleichen Experten interviewen und zitieren. Es mag paradox klingen, aber wenn sich Journalisten die Unmöglichkeit der Objektivität vergegenwärtigen, können sie sich ihr in der täglichen Arbeit leichter annähern.

Die vermeintliche Objektivität dient nicht dem Leser. Wenn sich Journalisten lediglich darauf beschränken, verschiedene und möglichst viele Positionen wiederzugeben, machen sie sich zum verlängerten Arm der PR-Abteilungen und der politischen Parteien. "Was ist für meinen Leser, Hörer oder Seher relevant, was betrifft ihn und seine Interessen?", das ist die Frage, die Journalisten hilft, Information zu selektieren und einzuordnen.

Die Objektivität ist zum Kampfbegriff geworden: Das Argument der fehlenden Objektivität wird gegen Journalisten vor allem von jenen verwendet, die nur eine, nämlich ihre Wahrheit transportiert sehen wollen. Aktuell hört man vor allem von Rechtspopulisten und Rechtsextremen, dass Medien nicht neutral über sie und ihre Themen berichten. Das geschieht stets mit dem Verweis auf eigene, verständlicherweise vollkommen einseitig informierende Kommunikationskanäle und mediale Plattformen, die nicht der journalistischen Sorgfaltspflicht unterworfen sind.

Die journalistische Sorgfaltspflicht liefert uns bereits jene Kriterien, die für die Qualität unserer Arbeit sorgen sollen, sie schafft Ordnung im Werkzeugkoffer des journalistischen Handwerks. Sie gebietet gründliche Recherchen, das Einholen von Gegenstimmen, eine angemessene, nicht reißerische Sprache und nicht zuletzt Transparenz.

Transparenz ist wichtiger als die vermeintliche Objektivität. Journalisten, die den eigenen Standpunkt offenlegen und Recherchewege nachvollziehbar machen, gewinnen das Vertrauen ihrer Leser. Das kann zum Bespiel der simple Verweis darauf sein, von wem die Recherchereise bezahlt wurde oder welche Informationen nicht eingeholt werden konnten.

Doch damit Transparenz nicht zum Schlagwort verkommt, muss sie weiter gehen. Journalisten müssen sich aktiv darum bemühen, ihren beruflichen Alltag und ihr Handwerk dem Leser näherzubringen und in ein Gespräch mit dem Publikum zu treten. Dieser Dialog ist für die Zukunft der freien, unabhängigen Medien wesentlich wichtiger als das illusorische Konzept der Objektivität. (Olivera Stajić, 15.1.2019)