Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs (links) und Bundeskanzler Sebastian Kurz.

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ÖVP und FPÖ haben sich wiederholt für die Abschaffung der schleichenden Steuererhöhung ausgesprochen. Im Wahlprogramm von Kanzler Sebastian Kurz wurde das explizit angekündigt. Bei ihrer Regierungsklausur in Mauerbach hat die Regierung das Projekt hinausgeschoben: 2023 soll die kalte Progression abgeschafft sein, sagte Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs von der FPÖ.

Das Phänomen spielt in den aktuellen Steuerdebatten dennoch eine wichtige Rolle. Mit der kalten Progression wird regelmäßig der Ruf nach Steuerentlastungen für Arbeitnehmer gerechtfertigt. Wenn der Finanzminister ständig "schleichend" mehr einnimmt, ist es nur fair, wenn er wieder was zurückgibt, so das Argument. Aber was ist die kalte Progression?

Steuerstufen liegen weit auseinander

Fix ist, was sie nicht ist: Die kalte Progression findet nicht nur dann statt, wenn Arbeitnehmer mehr verdienen und in höhere Steuerklassen rutschen, auch wenn dies gern und oft behauptet wird. Die Steuerstufen liegen in Österreich weit auseinander, von 31.000 bis 60.000 Euro gilt etwa derselbe Tarif. Viele Menschen bleiben immer in derselben Stufe. Die kalte Progression kann sie dennoch betreffen.

Ein Beispiel: 2018 verdiente Frau Müller 15.000 Euro. Sie bekommt 2019 zwei Prozent mehr Lohn. Diese deckt aber nur die höhere Inflation ab. Frau Müller ist also in Wahrheit finanziell nicht bessergestellt worden.

Trotzdem zahlt sie auf ihr neues Einkommen in Höhe von 15.300 Euro nun mehr Steuern. Das ist die kalte Progression. Bekäme Frau Müller 2,5 Prozent mehr Lohn, muss unterschieden werden: Bis zur Lohnsteigerung in Höhe der Inflation freut sich der Finanzminister über die kalte Progression. Nimmt er mehr ein durch jenen Teil der Lohnsteigerung, der über der Inflationsrate liegt, ist das die "normale", gewollte Progression. Wer mehr verdient und dadurch leistungsstärker ist, soll mehr Steuern zahlen, das ist der Sinn der progressiven Lohnsteuer.

Viele trifft die kalte Progression nicht

Um die kalte Progression abzuschaffen, müssten die Tarifstufen automatisch mit der Inflation mitsteigen. Der Ökonomen Peter Brandner vom wirtschaftsliberalen Thinktank Weisse Wirtschaft argumentiert, dass man die Steuerzahler damit überkompensieren würde.

Denn viele Menschen trifft die kalte Progression nicht: wer in Karenz war oder keine Lohnsteigerungen in einem Jahr hatte. In den gängigen Berechnungen wird dies nicht berücksichtigt. Je nachdem variieren die Szenarien stark: Der unternehmernahe Thinktank Agenda Austria sagt, dass die kalte Progression zwischen 2016 bis 2020 etwa 3,6 Milliarden ausmacht. Brandner dagegen kommt auf "nur" 1,57 Milliarden Euro, eben weil er versucht zu erfassen, dass viele nicht betroffen sind. (szi, 11.1.2019)