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Die altehrwürdige BBC im Visier der russischen Behörden.

Foto: REUTERS/Andrew Winning/File Photo

Die BBC soll gegen das russische Mediengesetz verstoßen haben. Die Aufsichtsbehörde Roskomnadsor hat auf der russischsprachigen Internetseite der Rundfunkagentur Materialien gefunden, die "die ideologischen Prinzipien internationaler Terrororganisationen wiedergeben". Dabei soll es sich um Zitate des Terroristenführers Abu Bakr al-Baghdadi handeln, die die BBC in ihren Texten veröffentlicht hat. Um welche Aussagen es konkret geht und in welchem Kontext das Material veröffentlicht wurde, geht aus den Vorwürfen Roskomnadsors nicht hervor.

Al-Baghdadi ist einer der meistgesuchten Terroristen der Welt. Der 47-jährige Iraker ist seit 2010 einer der Anführer des jihadistischen "Islamischen Staats" (IS). Die USA haben ein Kopfgeld von 25 Millionen Dollar auf ihn ausgesetzt.

Auch in Russland steht al-Baghdadi auf der Abschussliste. Mehrfach berichtete Moskau dabei über die mutmaßliche Tötung des Terroristenführers, auch wenn es dafür keine unabhängige Bestätigung gibt. In Russland, das in Syrien an der Seite von Präsident Baschar al-Assad kämpft, reagiert die politische Führung beim Thema Terrorkampf besonders sensibel. Auch weil viele in Syrien kämpfende Islamisten aus der GUS stammen und der Kreml somit um die Gefahr eines Terror-Reimports in die Kaukasus-Region fürchtet.

Bei der Berichterstattung über den IS wird in russischen Medien obligatorisch erwähnt, dass es sich um eine "in Russland verbotene Terrororganisation" handelt. Trotzdem haben auch russische Medien, darunter staatliche, schon al-Baghdadi zitiert – und wurden von Roskomnadsor nicht verwarnt.

Nebulöse Vorwürfe

Laut dem russischsprachigen Archiv des Senders hatte die BBC zuletzt im Juni 2017 unter dem Titel "Theologe, Fußballer und Jihadist" über al-Baghdadi ein größeres biografisches Material veröffentlicht, eben nach der Meldung des russischen Verteidigungsministeriums über den Tod des Terroristenführers. Im letzten Absatz zitierte BBC dabei eine Aussage al-Baghdadis, wonach die Luftschläge der westlichen Koalition, aber auch der russischen Luftwaffe dem IS keinen bedeutenden Schaden zufügten. Im Zusammenhang mit der Todesmeldung über al-Baghdadi kann dies aber wohl kaum als Verbreitung der IS-Ideologie bewertet werden.

Wie ernst die Vorwürfe von Roskomnadsor sind, ist unklar. Die Behörde spricht derzeit noch nebulös von einer "Untersuchung des Inhalts auf seine Übereinstimmung mit der russischen Gesetzgebung". Bei einer Verurteilung wegen Aufrufs zum Terrorismus drohen laut dem neuen Antiterrorgesetz Geldstrafen von bis zu einer Million Rubel (entspricht 14.000 Euro) und Haftstrafen von bis zu sieben Jahren für Verantwortliche. Der BBC dürfte im Fall einer Verurteilung aber auch die Sendelizenz in Russland entzogen werden.

Genau diese Drohung scheint im Raum zu stehen. Roskomnadsor hat nämlich daneben noch weitere Ermittlungen eingeleitet. Einmal soll BBC World nachweisen, dass ihre Journalisten nicht von ausländischen Organisationen kontrolliert werden. Zum anderen will Roskomnadsor vom 14. bis 31. Jänner prüfen, inwieweit sich BBC an die Lizenzregeln der russischen Medienbehörde hält. Die Tageszeitung "Iswestija" der kremlnahen Nationalen Mediengruppe (Großaktionäre sind die Putin-Vertrauten Juri Kowaltschuk, Gennadi Timtschenko und die Rotenberg-Brüder, Vorstandschefin ist Alina Kabajewa) vermerkte süffisant: "Roskomnadsor hat seine Untersuchungen gegen den Fernsehsender BBC World nach der Entscheidung des britischen Regulators Ofcom gegenüber RT aufgenommen."

Sieben Bemängelungen

Ofcom hatte im Dezember sieben RT-Sendungen über die Skripal-Affäre bemängelt. Die Behörde stufte die Materialien als tendenziös ein und monierte einen Verstoß gegen die Überparteilichkeit. Welche Folgen die Verwarnung hat, ist offen. Es drohen aber Geldstrafen und im schlimmsten Fall die Aufhebung der RT-Sendelizenz für Großbritannien.

Die russischen Ermittlungen sind damit offensichtlich eine Reaktion auf das britische Vorgehen. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind seit Jahren gespannt. Bereits 2006 hatte die Polonium-Vergiftung des übergelaufenen KGB-Agenten Alexander Litwinenko in London ernste Zerwürfnisse zwischen den beiden UN-Sicherheitsratsmitgliedern hervorgerufen. Mehrere Spionageskandale, Oligarchenfluchten und zu schlechter Letzt die Skripal-Affäre haben das Verhältnis fast endgültig zerrüttet.

Nach der gegenseitigen Ausweisung dutzender Diplomaten und der Schließung der Kultur- und Bildungsorganisation British Council in St. Petersburg droht sich die Spirale der gegenseitigen Sanktionen mit der BBC-Affäre nun also auch auf den Mediensektor auszuweiten. Russland dürfte in dem Fall seine seit Jahren in der Diplomatie angewandte Taktik "Auge um Auge" anwenden, das heißt die Strafe, die RT in Großbritannien erhält, wird auch der BBC in Russland zuteil. (André Ballin, 11.1.2019)