Die mit einem Bratspieß und einer Brotschaufel ausgetragene Fehde zwischen dem drallen, rittlings auf einem Fass hockenden Prinzen Karneval und der mageren, in ein Büßergewand gehüllten Fasten gehört mit zu den unterhaltsamsten Werken, die Pieter Bruegel schuf. Es ist eines jener Gemälde, das man seit Jahr und Tag im Kunsthistorischen Museum (KHM) bestaunen kann, nicht nur anlässlich der am Wochenende zu Ende gehenden Schau.

Als Bühne wählte Pieter Bruegel der Ältere, dessen Todestag sich im September zum 450. Mal jährt, einen dicht bevölkerten Dorfplatz, der in zahlreichen Sequenzen auf den "Kampf zwischen Fasching und Fasten" Bezug nimmt.

Bratspieß (Völlerei) versus Brotschaufel (Entbehrung): Die 1559 von Pieter Bruegel als Parodie auf ein Ritterspiel zwischen Prinz Karneval und Fasten komponierte Fehde birgt hohen Unterhaltungswert.
Foto: KHM

Unter Kaiser Rudolf II. (1576-1612) gelangte das Bild in habsburgischen Besitz und 1748 aus der Schatzkammer in den Bestand der Gemäldegalerie. Eine Provenienz, die historisch dokumentiert und damit absolut unstrittig ist. Warum das Bild das Cover eines 2017 in Warschau publizierten Buches über den aus Wien gebürtigen Otto Wächter – ein frühes, in den Juli-Putsch 1934 involviertes NSDAP-Mitglied – zierte, hat einen anderen Grund.

Für den Amtssitz entlehnt

Die Geschichte dazu beginnt, je nach Sichtweise, im Oktober 2015 oder im Dezember 1939, als Wächters Ehefrau Charlotte das Krakauer Nationalmuseum besuchte und leihweise zwölf Objekte zur Ausstattung des Amtssitzes ihres Mannes auswählt: Kunstgewerbe, Mobiliar und zwei Gemälde, darunter das in einer Liste vom 6. Dezember 1939 als Der Kampf des Karnevals mit der Fastenzeit bezeichnete, das seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr auffindbar ist.

Es war eine von insgesamt fünf der Forschung bekannten Kopien Pieter Brueghels d. J.,bei der sich der Sohn an dem in Wien beheimateten Prototyp seines Vaters orientierte. Eine befindet sich im Museum der Schönen Künste in Brüssel, die drei anderen gelangten seit 2010 über Auktionen auf den Markt und erzielten allesamt Millionenwerte. Der höchste belief sich auf umgerechnet 7,1 Millionen Euro, die Christie's 2011 für eine auf Leinwand gemalte Fassung erzielte. So weit zur monetären Einordnung.

Ein Foto der aus Krakau verschwundenen Fassung Pieter Brueghels des Jüngeren. Das Bild soll den Amtssitz des NS-Gouverneurs und gebürtigen Wieners Otto Wächter (unten mit Familie) geschmückt haben.
Foto: KHM

Im Oktober 2015 erschien in der Financial Times (FT) ein Artikel, der im KHM für einige Irritation sorgte. Der dort erhobene Verdacht: Bei dem KHM-Gemälde könne es sich um jenes Werk handeln, das während des Nazi-Regimes aus Krakau verschwand, womit ein veritabler Disput zwischen polnischen und österreichischen Institutionen bevorstünde, wie der STANDARD damals berichtete.

In einem zeitgleich in der polnischen Tageszeitung Rzeczpospolita publizierten Bericht forderte Piotr Zuchowski, der stellvertretende Kulturminister Polens, von den österreichischen Behörden eine vollständige Untersuchung, um Zweifel auszuräumen. Die Autorin dieses Artikels war Magdalena Ogórek, eine polnische Historikerin und TV-Moderatorin aus dem Umfeld der sozialdemokratischen Partei SLD, für die sie bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2015 (vergeblich) antrat.

Einem lokalen Publikum ist sie mittlerweile auch als Buchautorin geläufig, die sich mit dem Verschwinden der Kunstwerke aus dem Krakauer Nationalmuseum beschäftigt. Nicht ganz so wissenschaftlich, wie sich die Fachwelt vielleicht erhofft hätte, wovon das unter dem Titel Liste Wächtera publizierte Buch zeugt. Es liegt dem STANDARD auszugsweise in deutscher Übersetzung vor und soll Ende des Jahres in Englisch erscheinen, wie die Autorin auf Anfrage erklärt.

Ogóreks Recherchen führten sie bis in das österreichische Weinviertel: zum Sohn des ehemaligen NS-Gouverneurs, der sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs im österreichischen Bergland versteckte hatte und später nach Rom geflüchtet war, wo er unter ungeklärten Umständen 1949 verstarb. Vorweg, Horst Wächter, Jahrgang 1939, sind die Jahre in Krakau und ab Herbst 1942 in Lemberg kaum im Gedächtnis, wie er dem STANDARD versichert.

Seine Erinnerungen speiste der knapp 80-Jährige aus den Erzählungen seiner längst verstorbenen Mutter, über Fotoalben und den erhaltenen Briefwechsel der Eltern. Sein Vater, wird er nicht müde zu betonen, sei einer von den guten Nazis gewesen. Die in einschlägigen Archiven verwahrten Dokumente und Recherchen von Historikern erzählen freilich anderes.

Verbindungen nach Wien

Eine Landkarte aus dem 18. Jh., einen Kupferstich sowie ein Aquarell des Krakauer Potocki-Palastes habe er im Frühjahr 2017 an die Krakauer Behörden zurückgegeben. Von bedeutenden Kunstwerken wisse er nichts, auch über den Verbleib des Brueghel-Gemäldes nicht.

Nachdem die Familie im Herbst des Jahres 1942 nach Lemberg übersiedelte, seien die Amtsräume seines Vaters im Palais Potocki von Richard Wendler, dem Schwager Heinrich Himmlers, bezogen worden, der dort bis Mai 1943 residierte. In weiterer Folge waren dort Ludwig Losacker und Curt Ludwig Ehrenreich von Burgsdorff einquartiert. Danach wurde das Palais der Überlieferung nach von der russischen Besatzung devastiert.

Wann und unter welchen Umständen das Brueghel-Bild verschwand, bleibt die große Frage. Polnische Historiker fischen noch im Trüben. Laut Ogórek gebe es Hinweise, dass es schon 1940 verschwand. Eine der Theorien: Es sei zusammen mit anderen aus Krakau entwendeten Kunstwerken nach Wien transportiert und dort wohl auf dem Schwarzmarkt verkauft worden.

Die bislang einzig konkrete Verbindung zu Wien ist eine 1938 datierte Schwarzweißfotografie des Krakauer Brueghels im KHM-Archiv. Sie stammt aus dem Fundus des damals für das Museum und im Umfeld des "Sonderauftrag Linz" tätigen Restaurators Franz Sochor und sollte laut Ogórek als Vorlage zur Restaurierung des Wiener Gemäldes dienen. (Olga Kronsteiner, Album, 13.1.2019)