Epicyon haydeni (hier ein Skelett im Natural History Museum Los Angeles) war möglicherweise der größte Hund aller Zeiten. Wie er zu seiner Beute kam, verrät sein Innenohr.

Foto: Ryan DeLuca

Wien – Zeige mir dein Innenohr und ich sage dir, wie du jagst: Nach diesem Motto haben Wissenschafter von der Universität Wien und der University of Edinburgh untersucht, wie prähistorische Raubtiere ihrer Beute nachgestellt haben. Grundlage der aktuellen Studie ist die Tatsache, dass die Form des für den Gleichgewichtssinn zuständigen Organs im Innenohr auf die Fortbewegungsart seines Besitzers schließen lässt – und das wiederum gibt wertvolle Aufschlüsse über das Jagdverhalten.

Welche Rolle der Aufbau des Innenohrs bei der Lebensweise von Tieren spielt, haben Cathrin Pfaff von der Uni Wien und deutsche Kollegen bereits zuvor anhand verschiedener Arten von Hörnchen festgestellt. Die nun im Fachjournal "Scientific Reports" erschienene Arbeit, befasst sich mit der Frage, ob sich auch bei Fleischfressern Schlüsse aus dieser Struktur ziehen lassen.

Hundahne von annähernd Grizzlygröße

Vor rund 60 Millionen Jahren, im sogenannten Paläozän, entwickelte sich die sehr erfolgreiche Säugetiergruppe der Raubtiere. So hat etwa der früheste Hundevorfahre vor etwa 40 Millionen Jahren gelebt. Er hatte nur wenig mit den heutigen Arten, wie Wolf, Fuchs oder Schakal gemein: Er war klein, schlank gebaut und in der Lage, auf Bäume zu klettern. 15 Millionen Jahre später hat dieser Zweig des Stammbaumes in Nordamerika ein weitaus beeindruckenderes Mitglied hervorgebracht: Epicyon haydeni war von bulliger Gestalt und konnte es größenmäßig durchaus mit einem modernen Grizzlybären aufnehmen. Er war damit einer der größten Hundevertreter überhaupt.

Wie dieser gewaltige Hund seine Beute erlegt hat, haben nun Paläontologen um Julia Schwab von der Universität Wien anhand des Innenohrs rekonstruieren und damit zugleich die anatomischen Unterschiede nachgewiesen, die mit verschiedenen Jagdvarianten in Zusammenhang stehen.

Zusammenhang zwischen Ohr und Fortbewegung

Das Innenohr stellt eines der wichtigsten Sinnesorgane der Wirbeltiere dar. Es ist zum einen für das Hören und zum anderen mit den drei Bogengängen für das Gleichgewicht und die Lage des Körpers im Raum zuständig. Auf Grund seiner Gestalt kann es daher mit verschiedenen Fortbewegungsmustern korreliert werden.

Mittels Mikro-Computertomografie (CT) konnten die Wissenschafter einen detaillierten Einblick in die innere Anatomie des Schädels von Raubtieren und insbesondere über das knöcherne Labyrinth bekommen. Letzteres repräsentiert den Hohlraum, in dem sich das eigentliche Sinnesorgan befindet. Sein indirekter Beleg ermöglicht in Kombination mit modernen Analysemethoden und dem Vergleich zu heutigen Arten eine genaue Rekonstruktion von Fortbewegungsweisen der fossilen Raubtiere und hilft dabei deren Jagdverhalten zu verstehen.

Schnelle Jäger mit größeren Bogengängen

"Schnelle Jäger, wie der Wolf oder auch der Gepard, entwickelten größere Bogengänge, da sich ihre Laufgeschwindigkeiten schneller der Beute anpassen müssen als generalisierte Jäger, wie der Fuchs", so Schwab. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Länge der Hörschnecke (Cochlea) des Innenohrs, da anhand dessen zwischen katzenartigen und hundeartigen Raubtieren unterschieden werden kann.

Aufgrund dieser Erkenntnisse ergab der Vergleich von Epicyon haydeni mit modernen Räubern, dass der massive Hundeahne Jagd machte, indem er Tiere ansprang, denen er möglicherweise zuvor aufgelauert hatte. Damit dürfte er weder Aasfresser gewesen sein, noch als Hetzjäger im Rudel seiner Beute nachgestellt haben, so wie es heute Wölfe tun. In Zukunft möchte das Team auch herausfinden, ob das Innenohr von Robben, Bären oder anderer Wirbeltiere ebenso Rückschlüsse auf das Verhalten ihrer Vorfahren erlaubt. (red, 11.1.2019)