Wien – Eigentlich wollte Stefan Guggemos gerade vier Menschen einsperren: in einen schwach beleuchteten kleinen Raum, in dem der Boden knarzt, in dem allerlei Truhen und Schränke mit Nummernschlössern auf antiken Möbeln stehen und viele Schlüssel an der Wand hängen.

Viele Schlüssel zur Rätsels Lösung.
Foto: Regine Hendrich

Doch in dem Moment kommt ein Mann durch die Eingangstür, der sich sofort als Magistratsbeamter zu erkennen gibt. Der Mann mit der Aktentasche verlangt, die Räume zu inspizieren, aus denen normalerweise die Leute ausbrechen sollen, nachdem Guggemos die Tür zugemacht hat.

Eine Stunde hat man Zeit, um alle Rätsel in einem Escape-Room zu lösen. Das Ziel ist meist, aus einem versperrten Raum zu entkommen. In dieser Mission geht es darum, den Stein der Weisen zu finden.
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Seit in Polen vergangene Woche fünf Jugendliche in einem abgesperrten "Escape Room" bei einem Brand gestorben sind, blicken Behörden mit Argusaugen auf ein Phänomen, das in den letzten Jahren einen internationalen Boom erlebte: Menschen, die dafür bezahlen, sich in einen Raum einsperren zu lassen, und ihn erst wieder verlassen können, wenn sie spielerisch Rätsel und Aufgaben gelöst und Schlösser entsperrt haben. Bei Escape Mission, Guggemos' Unternehmen in Wien-Landstraße, kostet ein 60-minütiges Spiel zwischen 17 und 35 Euro pro Teilnehmer.

Stefan Guggemos betreibt einen Escape Room in Wien. Er und sein Geschäftspartner Johannes Sassmann tüfteln monatelang an neuen Räumen.
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Erster Escape Room im Jahr 2013

"Wir waren damals, 2013, die Ersten in Wien", sagt Guggemos. Mittlerweile gibt es alleine in der Bundeshauptstadt 24 Anbieter, bei denen interessierte Spieler aus 64 Räumen auswählen können. Diese Zahlen nennt Lukas Rauscher, der die Escape Rooms namens "Crime Runners" im neunten Bezirk betreibt. Österreichweit gibt es laut Rauscher bereits 46 Anbieter mit 130 Räumen. Der Betrieb von 14 weiteren Escape Rooms, davon 13 alleine in Wien, stehe in den Startlöchern.

Beim "Alchemisten" geht es darum, in einer Stunde den Stein der Weisen zu finden. Am schnellsten schaffte das, erzählt der Betreiber, eine Gruppe Pfadfinder, sie brauchte 18 Minuten.
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Doch wie Escape Rooms in Österreich geregelt sind, welche Brandschutzauflagen sie erfüllen müssen und wann sie kontrolliert werden, ist – wie so oft – Ansichtssache.

"Die Stadt Wien fasst Escape Rooms als Veranstaltung auf", sagt Klaus Christian Vögl von der Fachgruppe Wien der Freizeit- und Sportbetriebe der Wirtschaftskammer. "Das ist falsch und kann fatale Folgen haben." Denn dann brauchen Betreiber keinen Gewerbeschein, müssen keine Betriebsanlagen- oder Brandschutzgenehmigung einholen. Auch zwingende Kontrollen gibt es nicht. Vögl fordert daher, dass Escape Rooms als Gewerbe gehandhabt werden, "dann würde jeder eine Betriebsanlagengenehmigung brauchen, die regelmäßig kontrolliert wird".

Magistrat prüft, wenn er Gefährdung vermutet

Bei der zuständigen Magistratsabteilung 36 (Technische Gewerbeangelegenheiten, behördliche Elektro- und Gasangelegenheiten, Feuerpolizei und Veranstaltungswesen) sieht man das freilich anders. Dieter Klose ist der zuständige Senatsrat und damit der Chef des Beamten, der die Türen von Guggemos' Fluchträumen auf- und zumacht und prüft, wie sie schließen.

"Für kleine Veranstaltungsstätten im Inneren gilt die Eignungsvermutung", sagt Klose. Es wird also prinzipiell davon ausgegangen, dass die Veranstaltung in einem Raum stattfindet, in dem nichts passieren kann. Sieht die MA 36 Gefahrenpotenzial, kann sie Betriebe trotzdem inspizieren oder Auflagen auferlegen. Und Escape Rooms haben eventuell so ein Gefahrenpotenzial.

"Es ist ein Grenzfall", sagt Klose. "Normalerweise ist es ja nicht gefährlich, wenn 20 Menschen miteinander spielen." Doch wenn Menschen eingesperrt werden, "sind wir schon der Meinung, dass wir eine Eignungsfestellung verlangen können." Dabei werden unter anderem Fluchtwege, sichere Begehbarkeit, Brandschutz, Lüftung und Beleuchtungskörper überprüft. Klose: "Dann muss gewährleistet sein, dass die Menschen im Panikfall rauskommen, dass keine gefährlichen Gegenstände im Raum sind."

Jedes Team hat drei Joker für den Fall, dass es nicht weiterkommt. Und einen Notfallschlüssel für den Fall, dass Panik ausbricht.
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Aktion scharf läuft an

Kontrolliert habe man auch schon vor der polnischen Brandkatastrophe, sagt Klose. Jetzt aber werden die Überprüfungen in Wien verstärkt. Das bestätigen mehrere Escape-Room-Betreiber dem STANDARD. "Wir haben auch davon gehört und warten bereits auf die Kontrollen", sagt Andreas Staufer von First Escape in der Wiener City. Diesen blicke er zuversichtlich entgegen: Es gebe genug Fluchtwege, brandverzögernde Materialien und Türen, die sich im Notfall leicht öffnen ließen.

Auch Stefan Guggemos erklärt dem kontrollierenden Beamten wie seiner Kundschaft, dass Menschen jederzeit aus dem Escape Room entkommen können, wenn sie wollen – ob das Rätsel nun gelöst ist oder nicht. Denn neben der Tür eines Escape Rooms hängt ein Schlüssel für Notfälle. Den solle er von nun an, so will es der Magistratsbeamte, ein wenig tiefer hängen, zur Sicherheit. Beim zweiten Escape Room lässt sich die Tür durch Andrücken öffnen. Ansonsten sei vorerst "keine Gefahr im Verzug", sagt der Beamte – und beendet damit die Amtshandlung. (David Krutzler, Gabriele Scherndl, 9.1.2019)