Wie vorgehen, wenn es Vorwürfe des Gewaltmissbrauchs in der Exekutive gibt? Ein Forschungszentrum der Uni Wien gab diesbezüglich umfassende Empfehlungen ab. Einige wurden umgesetzt.

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Alfred Noll (Liste Jetzt) fordert eine ständige Evaluierung der Polizeiarbeit.

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Wien – Österreichs Exekutive gilt nicht gerade als vorbildlich hinsichtlich dessen, wie sie mit Misshandlungsvorwürfen in den eigenen Reihen umgeht. Zumindest nicht, wenn man Menschenrechtler fragt. Diese fordern immer wieder, dass für die Untersuchung solcher Vorwürfe keine polizeiinterne Abteilung zuständig sein sollte.

Das belegt auch eine Studie, die noch unter dem ehemaligen Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) in Auftrag gegeben und im November veröffentlicht wurde – DER STANDARD berichtete: In der vom Austrian Center for Law Enforcement Sciences (Ales) durchgeführten Untersuchung wurden rund 1.500 Fälle von Anschuldigungen wegen Misshandlung analysiert – in nur sieben dieser Fälle sei es zu einer Anklage gekommen. Die Grundlage bildeten 772 Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaften Wien und Salzburg zwischen 2012 bis 2015. Es kam zu keiner Verurteilung.

Noll will Fortschritt beobachten

Das (per Erlass festgehaltene) Recht der Staatsanwaltschaft, sich jederzeit in die Ermittlungstätigkeit der Polizei einzuschalten, wird von ihr nur in einem Drittel der Fälle in Anspruch genommen – auch das wurde in der Studie kritisiert. Mehrere Empfehlungen, die die Autoren sowohl dem Innen- als auch dem Justizministerium aufgrund der Erhebungen gaben, wurden bereits umgesetzt.

Nun könnten neue Verbesserungen folgen: Wie eine Anfragebeantwortung von Justizminister Josef Moser (ÖVP) an den Nationalratsabgeordneten Alfred Noll (Jetzt, vormals Liste Pilz) zeigt, existieren derzeit keinerlei Fortbildungsprogramme zu diesem Themenbereich für Staatsanwälte. Im Zuge der nächsten Sitzung mit dem Fortbildungsbeirat sollen dieser Umstand und die Frage nach der Notwendigkeit einer allfälligen Schwerpunktsetzung aber erörtert werden, schreibt Moser. Er werde "genau beobachten, ob Moser hier tatsächlich etwas ändert", kommentiert Noll.

Wie Polizisten geschult sind

Noll interessierte sich auch für die Ausbildung von Polizeibeamten und auch dafür, inwiefern hier der Umgang mit Misshandlungen durch Kollegen einfließt – eine diesbezügliche Anfrage ging ans Innenministerium. Im Kompetenztrainerhandbuch gebe es eine "Fallvignette" zum Thema "behaupteter Misshandlungsvorwurf", in Szenarientrainings gehe es darum, "eine Sensibilisierung für derartige Situationen zu erreichen", heißt es etwa in der Beantwortung. Außerdem gebe es ein Handbuch für die Menschenrechtsbildung innerhalb der Polizei.

Im Rahmen der Ausbildung widme man sich dem Themenblock in 56 Unterrichtseinheiten. Neben den rechtlichen Fächern werde das Thema auch in Seminaren wie etwa "Berufsethik – Hemmschuh oder Voraussetzung für professionelle Polizeiarbeit?" behandelt.

Noll sieht allerdings Verbesserungspotenzial: "Zwar haben Kickl und Moser die Empfehlungen der Studie umgesetzt. Allerdings sollte vor allem Innenminister Kickl auch in Zukunft dafür sorgen, dass die Arbeit der Polizei evaluiert und gegebenenfalls verbessert wird."

Neue Zahlen

Außerdem Teil der Anfrage: Wie viele Anzeigen es in den vergangenen Jahren wegen Misshandlung durch Polizeiorgane gab und zu wie vielen Ermittlungsverfahren, Anklagen und Diversionen es infolge dessen kam. Moser holte dafür eine Auswertung der "Verfahrensautomation Justiz" durch das Bundesrechenzentrum ein. Einen Ausreißer bildet demnach das Jahr 2017, in dem es zu 740 begonnenen Fällen kam – in den Jahren davor (seit 2013) waren es zwischen 486 und 575. Neu sind die Angaben für das Jahr 2018 (Jänner bis Oktober): 482 Fälle, 64 Anklagen, sechs Diversionen und sechs Verurteilungen lautet demnach die vorläufige Bilanz. (lhag, van, 9.1.2019)