Die neue SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner versucht einen softeren Kurs in Sachen Vermögenssteuern – doch nicht alle Parteifreunde stehen hinter ihr.

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Gerade einmal drei Tage hat der rote Parteifrieden im neuen Jahr angehalten – und schon hat sich die SPÖ in eine offene Streiterei verstrickt. Anlass: Frontfrau Pamela Rendi-Wagner, eigentlich Befürworterin von Erbschafts- und Vermögensabgaben, hatte angesichts der geplanten Steuerreform von ÖVP und FPÖ festgehalten, dass für diese roten Konzepte derzeit wohl nicht der richtige Zeitpunkt sei. Zunächst gehörten auch aus ihrer Sicht jetzt einmal die Arbeitnehmer entlastet.

Mehr hat es nicht gebraucht.

Einige rote Landeschefs und die Parteijugend stellten laut und deutlich klar, dass eine Debatte um Vermögenssteuern in der Sozialdemokratie immer aktuell sei.

"Bringt nix"

Hat Rendi-Wagner mit ihrer Aussage ein wichtiges Asset der Genossen für eine bessere Umverteilung, die für mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft sorgen soll, zertrümmert?

Ex-Finanzminister Hannes Androsch (SPÖ) ist überzeugt, dass das nicht der Fall ist. Im Gegenteil. Mit Vermögens- und Erbschaftsbesteuerungsdebatten "verschreckt man nur die Häuslbauer sowie die kleinen und mittelständischen Unternehmer", glaubt er – "und das bringt nix".

Steuerakzeptanz gefragt

Denn das Steuersystem bestünde wie eine Schweizer Uhr aus vielen Rädchen, und da könne man im Zuge einer Reparatur nicht nur an einem Zahnrad drehen. Androsch: "Das Ganze gehört sorgfältig betrachtet und überlegt, bevor man sich an eine Umsetzung macht, sonst reduziert man nur die Steuerakzeptanz."

Dazu erinnert Androsch daran, dass die Vermögenssteuer 1993 unter seinem Nachfolger und Parteikollegen Ferdinand Lacina abgeschafft wurde – und der sei in der Partei sehr wohl als Linker bekannt gewesen, nur habe die Abgabe nicht viel eingebracht. Im Gegensatz zur Grundsteuer, deren Anhebung sehr wohl Erträge für die Staatskassen bringen würde, deren zugrunde liegende Einheitswerte aber seit Jahrzehnten nicht valorisiert wurden.

Länder ließen ausrichten

Doch trotz dieser Komplexitäten wollen der Kärntner Peter Kaiser, der Steirer Michael Schickhofer und der Salzburger Walter Steidl via "Kronen Zeitung" schleunigst sichergestellt wissen, dass jeder Zeitpunkt der richtige sei, um die Reichen zu schröpfen. Für Rendi-Wagners offensichtliche Kosten-Nutzen-Abwägungen zeigten auch Oberösterreichs SP-Chefin Birgit Gerstorfer sowie die Chefin der Sozialistischen Jugend, Julia Herr, kein Verständnis.

Josef Kalina, einst Berater der roten Kanzler Viktor Klima und Alfred Gusenbauer, heute PR-Profi, hält dazu fest: "Die Idee, mit der Forderung nach einer Steuererhöhung positiv zu punkten, ist einfach falsch. Die Leute wollen Steuersenkungen. Fakten spielen da nicht die geringste Rolle", da könne die SPÖ hundertmal betonen, eine Erbschaftssteuer solle erst ab einer Million Euro greifen – "die Leute fühlen sich betroffen". Summa summarum qualifiziert Kalina den jüngsten SPÖ-Streit als großes Getöse rund um eine semantische Debatte. Sein Rat an die Genossen: "Es wäre klug, die Positionen besser abzusprechen."

Hohe Konfliktbereitschaft

Der Stratege macht "eine allzu geringe Rücksichtnahme" zwischen Bundesspitze und den Landesorganisationen aus. Kalina: "Man könnte das auch hohe Konfliktbereitschaft nennen." Was bei den Wählern übrig bleibe, sei nichts anderes als ein Autoritätsverlust für die neue Parteichefin.

Daher lautet Kalinas Befund: "Die Debatte verfolgt uns schon ewig lang, zuletzt hat sich Gusenbauer unfreiwillig damit herumschlagen müssen. Sie harrt einer Lösung."

Unter roter Führung abgeschafft

Konkret wurden die Erbschafts- und die Schenkungssteuer 2008 unter Gusenbauer gekippt – der Verfassungsgerichtshof sah Geld- und Immobilienvermögen ungleich behandelt. Das Argument für die Abschaffung der Vermögenssteuer unter Lacina lautete: Unternehmen seien zu stark belastet, während ein Drittel der Einnahmen durch Verwaltungskosten aufgefressen würde.

Wie steht also speziell die rote Wählerschaft heute zu neuen Erbschafts- und Vermögenssteuern? In der SPÖ will man das aktuell nicht abgefragt haben. Doch Kalina erinnert an die alten Ängste, die die ÖVP einst unter Rot-Schwarz zu schüren wusste. Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) warnte gern davor: Selbst wenn das Sparbuch der Oma verschont bliebe, ginge es bei Vermögenssteuern an "die Perlenkette". (Katharina Mittelstaedt, Karin Riss, Nina Weißensteiner, 4.1.2019)