Die rund um den Jahreswechsel nahezu flächendeckende Befüllung sämtlicher Medien mit Rückblicken führt leider auch dazu, dass in dieser Zeit stattfindende Sensationen zu wenig gewürdigt werden. So erging es beispielsweise folgender Schlagzeile aus der Weihnachtsausgabe der Tageszeitung "Die Presse": "Der Kapitalist hat sein Vermögen von Gott bekommen." Eine bahnbrechende theologische Erkenntnis, die weltweit bei Drogenbaronen, Mafiabossen oder Glücksspielautomatenherstellern für Begeisterung sorgen wird und vielen Menschen bei ihrer nächsten Steuererklärung völlig neue Argumentationslichkeiten eröffnet. Zu verdanken haben wir diese Einsicht dem Industriellen Veit Schmid-Schmidsfelden, der nebenbei noch als Chefverhandler der Arbeitgeber für den Lohnabschluss der Metallarbeiter zuständig ist. Ob er dabei den Arbeitnehmern vorschlägt, auch für Gotteslohn zu arbeiten, ist nicht bekannt.

Historischer Quotenabsturz

Medial ziemlich ignoriert wurde auch ein Ereignis, dessen Bemerkenswertheit paradoxerweise in der öffentlichen Nichtwahrnehmung seines Auslösers bestand: Die von ORF, "Kronen Zeitung" und Bundeskanzler gestaltete Show "Lebensretter 2018" brachte dem Sender einen historischen Quotenabsturz, bei dem es gelang, den von den Sendungen unmittelbar davor und danach erzielten Marktanteil praktisch zu halbieren. Ein schwarzes Loch der TV-Unterhaltung, das die Frage offenlässt, ob es Kanzler und "Krone" glücklich genug gemacht hat, um den im Titel angedeuteten Zweck – die Sicherung des politischen Überlebens von Alexander Wrabetz – zu erfüllen.

Darüber hinaus ist zu bemängeln, dass der eigentliche "Lebensretter des Jahres" nicht geehrt wurde. Nämlich Christoph Fasching, laut eigenen Angaben "Bewusstseinsforscher", der unlängst seine mit Spannung erwartete "Leistungsbeschreibung" vorgelegt hat, aus der nun endlich hervorgeht, wofür er 95.000 Euro Honorar beim Bau des Spitals KH Nord bekommen hat. Und zwar dafür: "Alles unterliegt einem ständigen Verfall. Die fest im Gebäude verankerte Quelle der Liebe versorgt das Gebäude ständig mit frischer Energie, welche diesen Verfall deutlich verlangsamt."

Das Leben unzähliger Patienten wird also künftig dadurch gerettet, dass sie in einem deutlich langsamer verfallenden Spital behandelt werden.

Quelle der Liebe

Allen Skeptikern, die das in Zweifel ziehen, kann ich hier einen Beweis für die Wirksamkeit der Methode liefern: Auch ich habe in meiner Kolumne eine Quelle der Liebe verankert. Nun betrachten Sie bitte das Papier oder den Bildschirm, auf dem Sie gerade diesen Text lesen. Sie werden dabei höchstens einen extrem langsamen Verfall feststellen können. Ich habe natürlich auch vor, diese Dienstleistung dem STANDARD in Rechnung zu stellen. Sollte das seitens der Geschäftsführung auf Unverständnis stoßen, könnte ich mich an die Gemeinde Wien wenden, denn schließlich kann man rund um meine Kolumne auch ein Krankenhaus bauen. Als Zugabe wäre ich bereit, der SPÖ Wien eine alle erleichternde Antwort auf die unangenehme Frage zu liefern, wer nun wirklich für das Fasching-Honorar verantwortlich war: Der Liebesquellenverankerer hat seine 95.000 Euro von Gott bekommen. (Florian Scheuba, 2.1.2019)