Man kann EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nur beipflichten, wenn er wieder einmal die verlogenen Haltungen einiger Regierungen der Mitgliedsstaaten zur zersplitterten Asyl- und Migrationspolitik der Union beklagt. Von einer gemeinsamen Migrationspolitik kann seit vielen Jahren nicht die Rede sein – trotz aller gegenteiligen Beteuerungen und Beschlüsse.

Konkret spricht der Chef der EU-Zentralbehörde den Umstand an, dass der von ihm gemeinsam mit dem österreichischen EU-Vorsitz zum jüngsten Gipfeltreffen erarbeitete Vorschlag zum Ausbau der Grenzschutzbehörde Frontex torpediert wurde.

Die Grundidee dahinter war, dass der irregulären Migration über das Mittelmeer, die jedes Jahr tausende Tote fordert, besser beizukommen sei, wenn man die Zahl der Grenzschützer rasch ausbaut und ihnen viel mehr Schiffe und Flugzeuge gibt. Unter EU-Flagge sollen sie für Ordnung sorgen, auch für verlässliche Hilfe, indem sie zum Beispiel Schiffbrüchige in Häfen von EU-Staaten bringen können, ohne dass nationale Behörden sie stoppen.

Mehr Grenzschutz, mehr EU-Geld hatten Regierungen in Athen, Rom oder Madrid seit Jahren lautstark gefordert, zuletzt der radikale rechte Lega-Innenminister Matteo Salvini unter Drohungen gegen Partner. Das wäre aber mit mehr EU-Zuständigkeit verbunden. Man darf dreimal raten, wer den Frontex-Aufbau blockierte. Genau: Italien, Griechenland, Spanien. Eine "himmelschreiende Heuchelei". (Thomas Mayer, 31.12.2018)