Für Rob Cross stecken alle Pfeile in der Scheibe.

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London – Irgendwie machte Rob Cross nach seinem Achtelfinal-Aus bei der Darts-WM einen erleichterten Eindruck. Als sein Nimbus der Unbesiegbarkeit im "Ally Pally" gebrochen war, schenkte der geschlagene Weltmeister seinem Bezwinger Luke Humphries eine innige Umarmung und hievte dessen linken Arm in die Höhe, als schien er deutlich machen zu wollen: Seht her, die Nummer eins bin nicht mehr ich.

"Das wird weh tun", gab Cross nach dem 2:4 gegen seinen englischen Landsmann zwar zu, hatte er doch schon 2:0 geführt. Aber er ergänzte auch gelöst: "Den Ballast bin ich jetzt los, und ich werde nächstes Jahr zurückschlagen." Dieser "Ballast", das war die Bürde des Weltmeisters, mit der Cross nie richtig klarkam.

Erwartungen und Drohungen

Immens groß waren die Erwartungen in dieser Saison – schließlich war er es, der bei seiner ersten WM-Teilnahme vor einem Jahr gleich sensationell ins Finale gestürmt war und dort am Neujahrsabend in furioser Art und Weise Legende Phil Taylor in den Ruhestand geschickt hatte. Nur selten konnte der 28-Jährige fortan an diese Leistung anknüpfen, er hatte mit großen Formschwankungen zu kämpfen. Und dann brachte der Titel auch noch ungeahnte Begleiterscheinungen mit sich.

"Wenn du Weltmeister wirst, kommt dir nicht im Geringsten in den Sinn, dass ein Spinner deiner Familie Todesdrohungen aus Deutschland schickt", klagte Cross jüngst im Mirror über eine Nachricht, die ihn über die Sozialen Netzwerke kurz nach seinem Titelgewinn Anfang des Jahres erreicht hatte.

"Er schrieb, er wünscht allen meinen Kindern den Tod", erzählte der dreifache Familienvater über die Drohung: "Er sagte, ich würde leben, aber meine Frau und meine Kinder würden sterben. Er sagte, ich soll den Rest meiner Tage alleine und unglücklich verbringen."

Wenn

Cross schockierte dies zutiefst, schließlich mache seine Familie sein "Leben erst lebenswert", erklärte er: "Wenn ich sie nicht hätte, wäre ich nicht als Weltmeister hier. Vermutlich wäre ich Alkoholiker oder ein Aussteiger." Als Konsequenz werde er selbst nie mehr wieder etwas in Sozialen Medien posten.

Cross' Ausscheiden passt aber auch ins Bild einer verrückten WM. Vor dem Titelverteidiger mussten bereits viele Favoriten früh nach Hause fahren. So war für Europameister James Wade aus England ebenfalls im Achtelfinale Endstadion. Der Weltranglistendritte Peter Wright (Schottland) scheiterte wie der fünfmalige Weltmeister Raymond van Barneveld (Niederlande), Grand-Slam-Sieger Gerwyn Price (Wales) und der Österreicher Mensur Suljovic sogar schon an der Auftakthürde.

Doch selbst nach der überraschenden Pleite zeigte Cross weltmeisterliche Größe. "Er war fantastisch. Ich kann nur sagen, dass er super gespielt hat", lobte er den 23 Jahre alten Humphries und sah sofort das Positive an seiner ersten Niederlage überhaupt im Londoner Alexandra Palace. Er freue sich nun darauf, eine "schöne Zeit mit der Familie im Januar zu haben und das normale Leben zu genießen". Fernab von allem Rummel. Mit der Bürde, Weltmeister zu sein, darf sich ab Neujahr ein anderer herumschlagen. (sid, 29.12.2018)