"König der Löwen", "Dumbo", "Mary Poppins Rückkehr" – immer öfter setzt Hollywood auf die Neuverfilmung beziehungsweise Fortsetzung bekannter Märchenstoffe. Es scheint, als hätte dieser Trend sogar die heimische Politik erreicht, die derzeit ebenfalls die aktualisierte Version eines Märchens bietet. Es handelt sich um eine Neufassung von "Des Kaisers neue Kleider", in der die Republik Österreich die Rolle des Kaisers übernommen hat und seine nicht-existente Bekleidung den Namen "Eurofighter-Gegengeschäfte" trägt. Anders als im Original wurde die kaiserliche Nacktheit nicht von einem aus der Menge rufenden Kind festgestellt, sondern von einem seit zehn Jahren beständig wachsenden Chor aus Menschen, die lautstark "Anziehen!" fordern, weil sie meinen, dass es auch für das Verarschen der Bevölkerung Schamgrenzen geben muss.

Diese Ansicht hat nun amtliche Bestätigung bekommen. Ein dieser Tage öffentlich gemachtes Gerichtsgutachten hält fest, dass die offiziell zur Ankurbelung der österreichischen Wirtschaft gedachten Gegengeschäfte großteils keine inländische Wertschöpfung generierten. Von angerechneten 1,7 Milliarden Euro wanderten 1,1 Milliarden ins Ausland. Angesichts vieler ohnehin völlig absurder Posten auf der Gegengeschäftsliste (vom italienischen Waffenhändler empfohlene Klopapiermaschine, eine Fräsmaschine aus den 1980er-Jahren mit 810.000-facher Wertsteigerung, Vorlesungen um 4800 Euro, die mit 1.118.298,33 Euro bewertet wurden etc.) lässt diese Erkenntnis den Chuzpefaktor der ganzen Geschichte noch einmal in ungeahnte Höhen schnellen, wo er nur noch von der Tatsache übertroffen wird, dass der Eurofighter-Hersteller 183 Millionen Euro für die "Vermittlung der Gegengeschäfte" auf den Kaufpreis der Flugzeuge draufgeschlagen hat. Das ist so, als hätten die Ausstatter des Kaisers noch eine Gebühr für Reinigung und Lagerung der neuen Kleider kassiert.

Als langjährigem Mitglied des zuvor beschriebenen Chors stellen sich mir jetzt zwei Fragen:

1. Könnte Martin Bartenstein uns bitte erklären, wie diese Nackerpatzlisierung der Republik passieren konnte? Sonst kommt am Ende noch der böse Verdacht auf, es wären Leute am Hof des Kaisers dafür bezahlt worden, die nicht vorhandenen neuen Kleider schick zu finden.

2. Ist es möglich, dass "Gegengeschäfte" ein Zauberwort ist, das die Wahrnehmung nackter Tatsachen beeinträchtigen kann? Sollte dem so sein, eröffnen sich auch der jetzigen Bundesregierung neue Perspektiven bei der Selbstdarstellung. Das einst für Alfred Gusenbauer kreierte Unwort "Sozialfighter" könnte gekapert werden, um die aktuellen Kürzungen der Sozialleistungen als "Sozialfighter-Gegengeschäfte" zu verkaufen. Die illegale Überschreitung der Wahlkampfkosten ließe sich als "Votefighter-Gegengeschäfte" rechtfertigen und die BVT-Razzia als "Extremismusfighter-Gegengeschäfte" zur Ankurbelung der Wirtschaft durch kreative Zerstörung.

Sollte im letztgenannten Fall eine Gebühr für die "Vermittlung der Gegengeschäfte" anfallen, wäre die Nachfolgeagentur von Herbert Kickls "Ideenschmiede" als etwaiger Rechnungssteller wohl ein heißer Kandidat. (Florian Scheuba, 19.12.2018)