Annette Kelm: "500 Euro" (2018)

Foto: Courtesy Annette Kelm und König Galerie, Berlin

Genau genommen gehört schon ein gewisser Huscher dazu, dem Geld gar so viel Macht einzuräumen. Denn was ist so ein Geldschein mehr als ein Papierchen, dem der Wert erst mühevoll angedichtet werden muss? Diese Frage mag einem in den Sinn kommen, wenn man Annette Kelms Fotografie 500 Euro sieht. Sie zeigt einen Geldschein vor dem Hintergrund eines Op-Art-Musters. Diese Tapete ist bloßes Design und scheint vermittels bildfüllenden Flirrens den Fünfhunderter als ihresgleichen enttarnen zu wollen.

Freilich könnte man die Fotografie auch als Kommentar auf das Hickhack zwischen hoher Kunst und Design lesen (dieses Industriemuster soll 500 Euro wert sein?) – oder sonst wie. Annette Kelm ist da nicht pingelig, denn rätselhaft zu bleiben ist ihr ein Anliegen. Gewiss ist nur, dass die 43-Jährige gerne die Zeichen jener Waren- respektive Wunderwelt querliest, die uns umgibt. Auf welch anmutige Art die deutsche Künstlerin dies tut, zeigt ihre aktuelle Ausstellung Tomato Target in der Wiener Kunsthalle.

Verstreute Mercedessterne

In wunderlichen Stillleben treffen Blumensträuße auf Sprungfedern. In anderen ihrer großformatigen Fotografien kokettiert Kelm mit den Konventionen der Werbefotografie, jedoch nicht ohne subtile Brüche einzubauen: Jene mutmaßlich lieblos auf dem Boden hingestreuten Mercedessterne in der Arbeit Stars and Ladder sind in einer Werbung des Autoherstellers schwer vorstellbar.

Annette Kelm: "Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau, Berlin" (2018)
Foto: Courtesy Annette Kelm, König Galerie, Berlin und Gió Marconi, Mailand

Kelm bringt, wenn man so will, die Zeichen dazu, sich zu versprechen. Vielfach muss sie dazu nur den Blick ruhighalten. Zum Beispiel auf die Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau in Berlin. Deren Architektur ist von einer organisch anmutenden rosa Röhre geprägt, die an eine Skulptur Franz Wests erinnert. In anderen Fällen inszenierte Kelm: Einem Cowboy auf seinem Pferd drückte sie, dieses klassische Männlichkeitsbild der Popkultur konterkarierend, einen Fächer in die Hand.

Eine Reflexion über (mediale) Bilder sind auch ihre Porträts: Kelm lichtete die Dargestellten seriell und nur mit minimalen Variationen ab. Im Falle ihrer Serie zum Künstlerkollegen Julian Göthe führt das dazu, dass man tatsächlich zweimal hinschauen muss, ob es sich nun um unterschiedliche Bilder handelt oder um Kopien. (Roman Gerold, 18.12.2018)

Gewaltfreies Heldentum? Annette Kelm konterkariert ein klassisches Männlichkeitsbild.
Foto: Courtesy Annette Kelm und König Galerie, Berlin