Es mag ja sein, dass es österreichische Staatsbürger gibt, die heimlich eine fremde Staatsbürgerschaft annehmen. Doppelstaatsbürgerschaften sind aber – abgesehen von einigen Spezialfällen, etwa Spitzensportlern oder Kindern aus binationalen Partnerschaften – für österreichische Bürger nicht vorgesehen.

Ein Österreicher ist zunächst Österreicher und sonst nix.

Und wenn er vielleicht doch auch etwas anderes ist? Dann ist er oder sie dennoch im Zweifel zunächst einmal österreichisch – auch wenn irgendwelche Listen herumgereicht werden, denen zufolge in tausenden Fällen eine Doppelstaatsbürgerschaft vorliegen könnte. Das von der FPÖ an die Behörden weitergeleitete angebliche Wählerverzeichnis von Austrotürken mag zwar das Gefühl verstärken, dass etliche türkischstämmige Mitbürger die Treue zur alten Heimat über die Treue zu Österreich stellen. Aber das ist eben nur eine Vermutung – eine Vermutung, mit der sich Stimmung machen lässt. Was auch passiert.

Gefühle und Stimmungen stellen jedoch keine ausreichende Grundlage für Behördenhandeln dar. Auf die Vermutung hin, dass jemand (auch) türkischer Bürger sein könnte, darf niemandem der österreichische Pass entzogen werden. Das hat der Verfassungsgerichtshof erkannt – mit absehbarer Wirkung auf all die Fälle, in denen aufgrund von Gefühlen, Vermutungen und Denunziation die Staatsbürgerschaft entzogen werden könnte. (Conrad Seidl, 17.12.2018)