Wien – Das Belvedere wird 2018 mit einem neuen Rekord und über 1,5 Millionen Besuchern abschließen. Im Oberen Belvedere hat man die Millionengrenze schon überschritten. Die Zukunft liege in Time-Slot-Systemen und Internet-Vorverkauf, sagt Belvedere-Chefin Stella Rollig. Im Tourismus-Boom, der für den starken Andrang im Museum sorgt, sei "noch kein Ende abzusehen".

"Es sind, um die Sprache der Touristiker zu verwenden, noch viele Märkte nicht erschlossen." Die behördlich erlaubte Zahl von etwas über 900 gleichzeitig anwesenden Personen werde im Oberen Belvedere derzeit nur zu Spitzenzeiten erreicht, bei den Abendöffnungszeiten gebe es noch genügend Kapazitäten. "Es ist immer noch viel Luft nach oben." Das neue Konzept der Dauerausstellung gehe voll auf. "Wir sind dankbar und glücklich, mit Klimts 'Kuss' das berühmteste Kunstwerk Österreichs zu haben. Der große Erfolg der Dauerpräsentation gibt uns vor allem Freiheit, bei den aus unserer Forschung und unserer Sammlung entwickelten Sonderausstellungen nicht nach Blockbustern schielen zu müssen, sondern ermöglicht uns auch, immer wieder die Kunstgeschichte gegen den Strich zu bürsten, samt neuer Blicke und unerwarteter Perspektiven."

"Stadt der Frauen"

Paradigmatisch gelte dies etwa für die von Sabine Fellner kuratierte Ausstellung "Stadt der Frauen. Künstlerinnen in Wien 1900-1938", die am 25. Jänner im Unteren Belvedere startet und sich rund 50 Künstlerinnen widmet, die in ihrer Zeit hoch angesehen waren, in den 50er-Jahren aber in Vergessenheit gerieten. "Viele von ihnen wurden auch von Gustav Klimt sehr geschätzt", sagt Rollig, die eine beginnende Imageverschiebung Klimts vom Verführer zum Förderer der Frauen wahrnimmt.

Mit Wolfgang Paalen (1905-1959) widmet man sich im Herbst einem in Österreich geborenen Weltbürger, der als einziger "echter" österreichischer Surrealist in Paris und später in Mexiko als Netzwerker agierte. Obwohl das Belvedere nur zwei Werke von ihm besitzt, gibt es einen direkten Bezug: Vor einem Vierteljahrhundert gab es im damaligen 20er-Haus die bisher einzige Retrospektive auf ihn. Nun soll mit vielen neuen Forschungen ein wesentlich umfassenderes Bild von ihm gezeichnet werden.

Kiki Smith und Christian Ludwig Attersee

17 Ausstellungen hat das Belvedere im kommenden Jahr an seinen Wiener Schauplätzen programmiert, außerdem wird man von April bis Oktober mit einer großen Klimt-Ausstellung in Japan vertreten sein. Mit Kiki Smith wird im Unteren Belvedere eine mit Donna Huanca begonnene Serie moderner Auseinandersetzungen mit dem barocken Raum ebenso fortgesetzt wie die Reihe Carlone Contemporary, die dasselbe im Oberen Belvedere versucht. Im Belvedere 21 gibt man ab Ende Juni der italienischen Künstlerin Monika Bonvicini, die lange an der Akademie gelehrt und auch dadurch starke Spuren in der Wiener Kunstszene hinterlassen hat, für eine Installation viel Raum.

Schon ab Februar ist hier Christian Ludwig Attersee mit seinem radikalen Frühwerk vertreten, das ihn als "genuinen Pop-Art-Künstler" ausweise, der auch immer mit Augenzwinkern agiert habe. Die jüngsten Diskussionen um sein Werbeplakat für die Semmering-Skirennen, auf denen u.a. eine nackte Skifahrerin zu sehen ist, hält Rollig für übertrieben. Nacktheit sei immer ein Thema in Attersees Schaffen gewesen, sein riesiger nackter Männerkörper auf einer Geschäftsfassade der Mariahilfer Straße sei nie beanstandet worden. "Wenn wir nur den geringsten Verdacht hätten, dass Christian Ludwig Attersee ein Sexist ist, würden wir ihm keine große Ausstellung widmen", stellt sie klar.

"Hinaus ins Freie"

Im Belvedere 21, das Rollig "besonders am Herzen liegt", wird es auch zu einigen baulichen Veränderungen kommen. Etliche beim letzten Umbau vorgenommenen Einbauten seien bereits in der noch bis 13. Jänner laufenden Polly Apfelbaum-Schau wieder zurückgenommen worden. Ab dem nächsten Sommer werde das Gebäude rückseitig zum Park geöffnet und dort auch ein neues Café etabliert, da das Lokal im Untergeschoß nie angenommen worden sei. "Dieser Pavillon liegt in einem Park und in einem neuen Stadtviertel. Unsere Auffassung von Kunst ist inklusiv und einladend. So wollen wir auch dieses Gebäude bespielen." Mit einer neuen Kuratorin will man neue Initiativen setzen: "Es gibt da noch viel Potenzial: Hinaus ins Freie, hinaus in die Nachbarschaft!"

Die denkmalschützerisch umstrittenen, nun gestarteten Umbauten im Belvedere-Stöckl, das gastronomisch genutzt werden soll, betrachtet die Belvedere-Generaldirektorin neutral. Der Betreiber sei bei seiner Bespielung des "Salmbräu" nie als Unruheherd aufgefallen, dass die Gegend um das Belvedere gastronomisch bisher unterversorgt war, sei eine Tatsache. Andere Baumaßnahmen hatten vor einem Jahr zu heftigen Vorwürfen der neuen Belvedere-Leitung gegen die frühere Direktorin Agnes Husslein-Arco geführt.

"BundesMuseenCard ist wie ein Blind Date"

Fehlende Brandschutztüren seien mittlerweile eingebaut, fehlende Fluchtwege geschaffen worden, so Rollig. 830.000 Euro sind heuer für Brandschutz und Klimaanlage investiert worden. Für eine Dauerlösung für die derzeit in einem Außencontainer untergebrachte Klimaanlage habe man um Zusatzmittel angesucht. Seinen Frieden mit der Ex-Direktorin hat das Haus allerdings noch nicht geschlossen: Wechselseitige Forderungen, die unbezahlte Prämien bzw. Regressansprüche aufgrund vermeintlicher Fehler in der Leitungstätigkeit betreffen, seien weiterhin aufrecht, sagt Rollig. Es werde zu einer gerichtlichen Klärung kommen.

Wichtig ist der Belvedere-Chefin, auf die "enormen" Leistungen ihres Research Centers, das im vergangenen Jahr u.a. vier Werkverzeichnisse erstellt habe, und auf die als erstes heimisches Museen eingeführte "open content policy" bei den Bildrechten gemeinfreier Werke hinzuweisen. Und was hält Stella Rollig von der kürzlich eingeführten BundesMuseenCard? "Ich halte sie ganz und gar nicht für eine Touristen-Karte. Ich finde sie großartig. Wie ein Blind Date, bei dem man jemanden Neuen kennenlernt." (APA, 17.12.2018)