Nicht unbedingt lieblich anzusehen, aber dafür kann er ja nichts – außerdem ist der Bengalgeier ökologisch wichtig.
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Kathmandu – Mit einer Flügelspannweite von über zweieinhalb Metern hat der Bengalgeier (Gyps bengalensis) keine natürlichen Feinde zu fürchten. Dass sich sein Verbreitungsgebiet von Afghanistan bis nach Südostasien erstreckt, war ebenfalls eine Trumpfkarte der Spezies. Doch selbst bei solchen Voraussetzungen kann eine Tierart an den Rand des Aussterbens gedrängt werden, wenn der Mensch auf den Plan tritt: Im vergangenen Jahrzehnt sind die Geier zu Millionen verendet – und schuld daran war ein Medikament.

Das Schmerzmittel Diclofenac, das ursprünglich für den menschlichen Gebrauch vorgesehen war, wurde ab den 1990er Jahren bei Rindern und Wasserbüffeln eingesetzt. Für Geier, die von den Kadavern dieser Tiere fressen, ist der Wirkstoff tödlich. 2006 verboten Nepal, Indien und Pakistan die Verwendung von Diclofenac in der Tiermedizin und forderten den Umstieg auf andere Medikamente. Doch für die Anwendung am Menschen ist das Medikament weiterhin in Apotheken erhältlich und wird illegal auch noch für Tiere verwendet – die tödliche Substanz bleibt also im Umlauf.

Über 99 Prozent verendet

Der Bestand des Bengalgeiers dürfte in den vergangenen zehn Jahren um über 99 Prozent zurückgegangen sein, schätzen Experten. Das gilt für die Spezies als ganzes, aber auch für Populationen in verschiedenen Staaten – etwa in Nepal, wo sich Tierschützer darum bemühen, die Spezies zu erhalten. Von einst zehntausenden Geiern sind in dem Staat laut der Vogelschutzorganisation Bird Conservation Nepal (BCN) nur noch etwa hundert übrig. Zwischenzeitlich soll die Population sogar auf ganze 43 Tiere zusammengeschrumpft sein.

In einer Vogelstation im südlichen Tiefland von Nepal werden die Bengalgeier daher nachgezüchtet und fast sieben Monate lang auf ihre Auswilderung vorbereitet. Um die Geier in ihrem neuen Zuhause beobachten zu können, statten die Tierschützer sie mit gelben Flügelmarken und elektronischen Halsbändern zur Ortung aus.

Am ersten Tag seien sie noch zur Station zurückgekehrt, berichtet Krishna Prasad Bhusal von BCN in Kathmandu von der Auswilderung. Doch schon am zweiten Tag hätten die Geier selbst Futter gefunden und nun, zwei Monate später, flögen sie schon sechs Kilometer weit. "Dafür, dass sie in einem Käfig aufgewachsen sind, haben sich die Vögel schnell an ihren natürlichen Lebensraum gewöhnt", sagt Bhusal.

Geierrestaurants

Mit der Hilfe örtlicher Gemeinden entstanden sogenannte Geierrestaurants, die von den Zuchtstationen im Süden Nepals mit unbelastetem Futter versorgt werden. "Nepal ist ein Vorreiter im Kampf gegen das Sterben der Geier", sagt Chris Bowden von der Tierschutzorganisation Saving Asia's Vultures from Extinction (SAVE). Nach dem Vorbild Nepals hätten weitere Staaten in Asien und auch in Afrika Schutzzonen für Geier errichtet, sagt Bowden.

Neben Aufklärungskampagnen werde auch der Gebrauch von alternativen Medikamenten wie Meloxicam gefördert, erklärt Ishana Thapa, Vorsitzende von Bird Conservation Nepal. "Wir werben außerdem für Diclofenac-freie Zonen", sagt sie. Mit Erfolg: Mittlerweile werde das Medikament in 63 von 77 Bezirken nicht mehr verwendet, sagt Thapa.

Doch noch ist der Kampf nicht gewonnen. Während die Gefahr durch Diclofenac deutlich sinkt, entstehen andere Bedrohungen für die Aasfresser. Neue Entzündungshemmer wie Aceclofenac, Nimesulid und Ketoprofen sind weit verbreitet, obwohl sie ähnlich gefährlich für Geier sind wie Diclofenac. Das indische Veterinärforschungsinstitut teste zwar die Medikamente, sagt Chris Bowden, "aber das passiert nicht schnell genug".

Geierschutz ist Menschenschutz

Der Schutz der Geier kommt übrigens auch dem Menschen zugute: Mit dem Sterben der Aasfresser blieben vor allem im benachbarte Indien unzählige Tierkadaver an Straßenrändern oder Kanälen liegen. Die verwesenden Körper lockten streunende Hunde an und waren so verantwortlich für die Verbreitung von Tollwut und Viehseuchen. (red, APA, 17. 12. 2018)