Wenn ÖVP und FPÖ einmal stolpern sollten, dann höchstens übereinander.

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Viel lief glatt, wenig verkehrt. So lässt sich das erste Regierungsjahr der türkis-blauen Koalition charakterisieren. ÖVP und FPÖ haben es im Großen und Ganzen blendend verstanden, demonstrative Harmonie zu versprühen und gezielte Signale zu setzen: Zu Rauchern und Autofahrern war man milde, zu Schülern und Arbeitnehmern eher streng. Großzügig war man zu Arbeitgebervertretern und Unternehmern, ignorant gegenüber Anliegen bestimmter NGOs und ungemütlich zu Asylwerbern.

Dazu kommt der "Faktor Kurz": Der Bundeskanzler hat seine Rolle als Lieblingsschwiegersohn der Nation weiter ausgebaut. Er erklärt seine Politik plausibel, er wirkt immer höflich und zuvorkommend, nie sieht er müde oder abgekämpft aus. Kurz ist ebenso gut im Verkünden von Botschaften wie hartnäckig im Schweigen zu unangenehmen Themen.

Die gezielte, punktgenaue Kommunikation der türkisen Regierungsmannschaft, die Message-Control der ÖVP, läuft zumeist glatt und geschmiert – und übertüncht so, dass es auf der blauen Regierungsseite mitunter stark holpert, vor allem wenn es die Ressorts von Beate Hartinger-Klein oder Herbert Kickl betrifft. Oder rechtsradikale "Einzelfälle", in die häufig die zweite, dritte oder vierte Personalreihe der FPÖ verwickelt ist.

Kurz' nahezu perfekte Präsentation ist wohl auch einer der Gründe, warum die Österreicher mit dieser Regierung so zufrieden sind, wie etwa die aktuelle STANDARD-Umfrage zeigt. Ein anderer ist, dass sich Türkis-Blau fast schon penetrant auf Themen konzentriert, von denen man – ebenfalls durch Umfragen – weiß, dass sie bei vielen Wählern gut ankommen: eine restriktive Asylpolitik, die Forderung nach mehr Integration – in Verbindung mit Sanktionsdrohungen, weniger Geld für jene, die "nichts leisten".

Mindestsicherung

Die Reform der Mindestsicherung spielte die Regierung auf der Agenda-Setting-Klaviatur so lange auf und ab, bis viele Menschen den Eindruck haben mussten, dies sei Österreichs finanzielles Hauptproblem. Dabei handelt es sich nur um einen verschwindend geringen Anteil an den Sozialausgaben. Die Pensionen greift man dafür wohlweislich nicht an, hier könnte man es sich nämlich mit einer mächtigen Wählerschicht verscherzen.

Wann immer es inhaltlich ungemütlich wurde, konnte man darauf vertrauen, dass die Regierung ein "populäres" Thema medial platzieren würde: Als sich etwa Sozialministerin Hartinger-Klein im November in die höchst unangenehme Debatte um die mögliche Abschaffung der Notstandshilfe verstrickte, veröffentlichte die FPÖ ein Video, in dem sich ein "Ali" mittels E-Card eines "Mustafa" medizinische Leistungen erschlich. Um vom FPÖ-Umfaller in der Ceta-Debatte abzulenken, kündigte die Koalition an, die Ziffernnoten an den Volksschulen wieder einzuführen.

Nur außenpolitisch zeigten sich erste Risse in der glatten Regierungsfassade. Schon jetzt fährt die FPÖ trotz gegenteiliger Beteuerungen eine eigenständige europafeindliche Linie. Beim UN-Migrationspakt gelang es ihr, die ÖVP gehörig unter Druck zu setzen. Die schlechten Kritiken, die Österreich dafür international erntete, schmerzen vor allem die Kanzlerpartei. Das wird im kommenden Jahr, rund um die EU-Wahl, spannend.

Wenn ÖVP und FPÖ einmal stolpern sollten, dann höchstens übereinander. Die Opposition stellt sich ihnen bis dato kaum in den Weg. (Petra Stuiber, 15.12.2018)