Dalibor Nikolic ist Box- und Backhealth-Trainer im Fitnessstudio Malu in Wien. Er hat fast alle Arten von Kampfsport selbst trainiert und unterrichtet heute Boxen, Thaiboxen und funktionelles Ganzkörpertraining im Fitnesszentrum Malu in Wien.

Foto: Malu

Ohne Körperspannung von Kopf bis Fuß ist ein Liegestütz niemals korrekt, sagt Trainer Dalibor Nikolic, diese Körperspannung muss, so wie die Muskeln auch, trainiert werden – in Backhealth-Stunden.

Foto: istockphoto

STANDARD: Sie sind Trainer in einem Fitnessstudio und unterrichten alle Arten von Boxen. Dazu bieten sie auch Backhealth-Stunden, also Rückengymnastik an: Wie passt das zusammen?

Nikolic: Boxen ist meine Leidenschaft, das mache ich schon mein ganzes Leben und will es auch weitermachen, bis ich 90 Jahre alt bin. Doch irgendwann habe ich bemerkt, dass ich durch das intensive Training Schmerzen bekommen habe. Ich habe mich gefragt, warum – und habe erst einmal viel über den Körper und seine Funktionen nachgedacht. Und irgendwann war mir klar, dass die Schmerzen in der Hand vom Rücken – durch die gebeugte Abwehrhaltung beim Boxen – ausgelöst werden.

STANDARD: Und was brachte diese Erkenntnis?

Nikolic: Die Notwendigkeit, Ausgleichsübungen zu jenen Bewegungen zu machen, die man ständig wiederholt. Das kann Boxen, Fußball, aber auch Computerarbeit sein. Wenn ich Backhealth sage, dann meine ich Ganzkörpertraining. Im Körper hängt alles zusammen. Die meisten sind sich dessen einfach nur nicht bewusst. Und jeder Sport beansprucht immer ganz spezielle Muskelgruppen, wobei die anderen vernachlässigt werden. Das führt fast zwangsweise zu einer Schieflage.

STANDARD: Wie spürt man eine solche Schieflage?

Nikolic: Durch Schmerz. Er kommt nicht von selbst, und er geht auch nicht von selbst: Das ist meine Erfahrung. Meist ist es eine Art Überlastung oder zu einseitiges Training.

STANDARD: Also jeder, der nur einen bestimmten Sport häufig ausübt, wird über kurz oder lang Probleme bekommen?

Nikolic: Im Grunde genommen schon, da ja immer die gleichen Dinge im Körper passieren. Je mehr man trainiert, umso wichtiger werden die Ausgleichsübungen dazu. Jeder Sport hat seine Nebenwirkungen. Den Hobbyfußballern tun zum Beispiel sehr oft die Knie weh, den Tennisspielern der Ellenbogen.

STANDARD: Wie kann man das erklären?

Nikolic: Als Hobbyfußballer gehst du nurmehr sehr selten in die Kniebeuge. Das geht auf Kosten der Beweglichkeit. Die Muskeln sind also sehr stark zusammengezogen. Diese fehlende Beweglichkeit führt dann zu Verletzungen, da die Funktion der Gelenke dadurch stark eingeschränkt ist.

STANDARD: Ist das nicht auch eine Frage des Alters?

Nikolic: Die Beweglichkeit lässt sich bis ins hohe Alter trainieren.

STANDARD: Wenn man das ernst nimmt, heißt es: Turne bis zur Urne.

Nikolic: Genau so ist es. Der Körper sollte ständig funktionell behandelt werden und Bewegung sollte auch funktionell trainiert werden. Natürlich kann das nach Alter und Lebensphase angepasst werden – deshalb hat meine Trainingsphilosophie immer ein Fernziel: Möglichst lange beweglich bleiben.

STANDARD: Was verändert sich mit den Jahren?

Nikolic: Als Jugendlichem und jungem Erwachsenen ist es einem wichtig, wie man aussieht, "was drauf haben" sozusagen. Das heißt: Was zählt, ist die Optik. Doch die Optik zu erhalten funktioniert auf Dauer nur dann, wenn die Funktion da ist.

STANDARD: Kann man falsch trainieren?

Nikolic: Ja. Optik und Funktion sind oft nicht im Einklang. Es gibt Leute mit einem super durchtrainierten Körper, die können aber keine Liegestütze machen. Überhaupt kann kaum jemand einen Liegestütz.

STANDARD: Inwiefern?

Nikolic: Weil ihnen die Fähigkeit fehlt, Körperspannung zu halten. Man muss Muskeln entsprechend trainieren, damit sie imstande sind, Spannung aufzubauen. Wer viel mit Gewichten trainiert, macht das unter Umständen aber überhaupt nicht. Der Körper, und da bin ich hundertprozentig überzeugt, funktioniert immer als eine Einheit und nicht als die Summe von einzeln angesteuerten Muskeln.

STANDARD: Wie genau ist das zu verstehen?

Nikolic: Körperspannung ist eine Sache, die sich vom Kopf bis zu den Zehen zieht. Es geht darum, das dem Gehirn beizubringen. Dies geschieht in meiner Backhealth-Stunde.

STANDARD: Worum geht es genau?

Nikolic: Es geht darum, die vollständige Muskelkette geschlossen zu halten. Das kann man üben. Es ist eine Frage der Wahrnehmung. Man sollte wissen, wie der eigene Körper funktioniert, sollte verstehen, wie die Dinge von Kopf bis Fuß zusammenhängen. Wenn jemand mit einer guten Körperwahrnehmung dann einmal Schmerzen hat, weiß er meistens auch warum und was man dagegen machen kann. Man sollte imstande sein, sich selbst helfen zu können. Denn Schmerzen hat jeder Mensch, das gehört nun einmal dazu.

STANDARD: Wie? Schmerzen gehören dazu?

Nikolic: Schmerzen sind Indikatoren, die zeigen, wo es muskulär etwas zu verbessern beziehungsweise auszugleichen gibt. Die erste wichtige Frage sollte immer sein: Warum tut es weh?

STANDARD: Und wie findet man heraus, warum es wehtut?

Nikolic: Indem man sich überlegt, welche Bewegungen man im Alltag sehr, sehr oft ausführt.

STANDARD: Ein Beispiel?

Nikolic: Wer überwiegend im Sitzen arbeitet und mit einer Maus am Computer arbeitet, der kann im Laufe der Zeit Schmerzen im Handgelenk bekommen, wenn er keine Ausgleichsbewegungen macht.

STANDARD: Aber wo setzt man mit den Ausgleichsbewegungen an?

Nikolic: Ich sage immer: Sich von unten nach oben arbeiten, vom Sprunggelenk über die Knie und Hüften zur Wirbelsäule und dann beim Kopf.

STANDARD: Aber was ist mit den Gelenken und den Abnützungserscheinungen?

Nikolic: Für mich ist Beweglichkeit ein ganz großes Thema. Beim Boxen im Speziellen, aber auch überall sonst. Je beweglicher ich bin, umso mehr Knautschzone hat mein Körper. Davon bin ich überzeugt. Wer beweglich ist, kann zum Beispiel viel besser ausweichen. Und ausweichen können ist auch im Alltag sehr wichtig. Wer sich wie ein Stock bewegt, tut sich auch schwerer, wenn er zum Beispiel ausrutscht.

STANDARD: Wer beweglich ist, fällt also besser?

Nikolic: Ja, wenn er zusätzlich auch Kraft hat, denn nur die Kraft sichert die Beweglichkeit. Kraft hat ja die Funktion, das eigene System zu schützen. Das gilt auch beim Hinfallen. Auch das muss man üben. Nur im Laufe des Lebens hören Erwachsene, die keinen Kampfsport machen, auf, das zu trainieren. Deshalb sind Bodenübungen extrem wichtig. Wenn ich viel am Boden turne, dann fühle ich mich dort auch wohl. Ich kenne mich aus.

STANDARD: Geht es da auch um Körperspannung?

Nikolic: Ja, weil sie den ganzen Körper trainiert. Mir ist in den Backhealth-Stunden immer auch wichtig, dass man lange in Positionen wie der tiefen Hocke verweilt. Denn die Beweglichkeit hängt von zwei Faktoren ab: der Dehnbarkeit und der Gelenkigkeit. Einen Muskel dehnt man ziemlich schnell auf, es dauert durchschnittlich 90 Sekunden. Aber es ist wichtig, diese Dehnung auch in die Gelenkkapsel zu bringen. Wer das erreichen will, muss sich Zeit dafür nehmen. Ich lege also großen Wert darauf, dass meine Kunden lange in Positionen wie zum Beispiel der Hocke bleiben. Da wir die Beweglichkeit beim Sitzen ja nicht brauchen, hat sich der Körper daran angepasst. Hier gilt es gegenzusteuern. Wir sitzen mehr als wir gehen: Das ist quasi unser Grundproblem. Deshalb streckt sich unser Körper den Großteil des Tages auch gar nicht mehr in seiner vollen Länge.

STANDARD: Sieht man das von außen?

Nikolic: Klar, an der Körperhaltung sieht man es sofort. Die Brustwirbelsäule krümmt sich immer stärker, was einen Buckel zur Folge hat. Boxer haben das übrigens auch. Doch deren Buckel ergibt sich durch die Abwehrhaltung. Der Buckel ist eine Nebenwirkung vom Boxen. Man ist stets in einer gekrümmten Haltung. Dann tun einem plötzlich auch die Schulter und der Ellenbogen weh – und spätestens dann ist es Zeit für Ausgleichsübungen. Ich muss also dieser Krümmung gegensteuern. Öffnen ist das Zauberwort.

STANDARD: Was ist gutes Training?

Nikolic: Zehn oder 20 Minuten für ein paar Übungen reichen vollkommen aus, dass das Gehirn dann in einen Bewegungsflow kommt.

STANDARD: Ist Bewegung Kopfsache?

Nikolic: Klar, da im Gehirn Bewegungsmuster gespeichert sind. Es ist sozusagen Routine, über die man nicht mehr lange nachdenken muss. Wenn ich lange etwas nicht gemacht habe, fällt es einem immer schwerer. Das ist auch beim Sport so.

STANDARD: Vor Silvester nehmen sich viele vor, sich mehr bewegen zu wollen. Wie gelingt das?

Nikolic: Sich realistische Zielen setzen. Wenn jemand vorhat, einen Marathon zu laufen, aber jeden Tag nur 20 Minuten trainiert, wird das nicht möglich sein. Es geht also um die Ziele. Es gibt viele, die sich einfach nur gut fühlen wollen. Das ist für mich als Trainer ein wunderbares Ziel und machbar.

STANDARD: Spielt es eigentlich eine Rolle, dass der Körper jedes Menschen unterschiedlich gebaut ist?

Nikolic: Total. Kniebeugen sind ein super Beispiel. Nicht jeder kann tief in die Knie gehen, den Rücken gerade halten oder lange dort bleiben. Das hat nicht immer nur mit dem Trainingszustand, sondern auch mit der Anatomie zu tun.

STANDARD: Nicht alle Bewegungen passen für alle Körper?

Nikolic: Es ist wichtig, dass jeder, der Sport betreibt, seine anatomischen Voraussetzungen kennt und sich damit auch in seinem Rahmen verbessern kann.

STANDARD: Was ist eine Topform?

Nikolic: Für mich persönlich: auch mit 90 Jahren noch so beweglich zu sein und Sport machen können. Sich wohlfühlen ist das Wichtigste. (Karin Pollack, 5.1.2019)