Sieben von rund 21.400.000.000 Haushühnern, die aktuell die Erde bevölkern, um den Menschen Eier und Fleisch zu liefern.

APA/dpa/KARL-JOSEF HILDENBRAND

Hühnerbeinknochen im Vergleich: Links ein heutiges Masthuhn, rechts das ursprüngliche Burma-Bankivahuhn.

Wenn die Menschen dereinst von diesem Planeten verschwunden sind, werden die Spuren ihres Wirkens wohl noch einige Jahrtausende lang sichtbar bleiben. Denn der Homo sapiens hat auf vielfältige Weise auf die Oberfläche des Planeten Einfluss genommen: Er hat weite Teile der obersten Erdkruste umgestaltet, entscheidenden Anteil an der neuzeitlichen globalen Erwärmung und bereits jetzt für eines der größeren Artensterben der Erdgeschichte gesorgt.

Geologen argumentieren deshalb, dass wir vor einiger Zeit in das sogenannte Anthropozän eingetreten sind, das vom Menschen geprägte Erdzeitalter. Sollten in ferner posthumaner Zukunft also außerirdische Zivilisationen im Boden der Erde nach Spuren früherer Bewohner fahnden, sollten sie auf vielfältige Weise fündig werden – egal ob es sich nun um die Reste unserer Städte, um die Spuren des Bergbaus, radioaktiven Müll oder Plastik im Meer handelt.

Leitfossil des Anthropozäns

Britische Forscher um die Geologin Carys Bennett (Uni Leicester) weisen nun auf eine weitere Signatur des Anthropozäns hin, die auf den ersten Blick etwas seltsam erscheint, nämlich das massenhafte Vorkommen von Hühnerknochen im Boden. Wie aber kommen die Wissenschafter auf die Idee, dass Hühner ein künftiges Leitfossil unseres Zeitalters sein werden?

Zum einen ist es schlicht die Menge: Aktuell bevölkern rund 21,4 Milliarden Haushühner die Erde – kein anderes Landwirbeltier inklusive Mensch kommt auf eine ähnliche Stückzahl. Nimmt man die Schlachtungen dazu, wird die Hühnerdominanz noch dramatischer: Dann kommt man nämlich auf rund 60 Milliarden Hühner pro Jahr, schreiben die britischen Forscher.

Massive Manipulation durch Zucht

Das heute in der Nahrungsmittelproduktion eingesetzte Huhn ist zudem durch Zucht massiv verändert worden: Die Beinknochen eines Masthuhns im 21. Jahrhundert sind dreimal so breit und doppelt so lang wie jene des ursprünglichen Burma-Bankivahuhns. Ohne die technische Unterstützung in den Aufzuchtbetrieben seien diese Tiere kaum überlebensfähig, schrieben die Wissenschafter im Fachblatt "Royal Society Open Science".

Für Bennett und ihre Kollegen ist es deshalb sehr unwahrscheinlich, dass die natürliche Evolution je etwas Vergleichbares hervorbringen könnte wie Gallus gallus domesticus. (Das relativiert im Übrigen ein etwas älteres Bonmot des argentinischen Schriftstellers Julio Cortázar, der kein großer Freund des Landlebens war und deshalb die Natur als jenen schrecklichen Ort bezeichnete, wo die Hühner roh herumlaufen.)

Vom Hausmüll auf die Deponie

Das Haushuhn ist zugleich auf bestem Weg, selbst bei der vom Menschen verzehrten Fleischmenge das Schwein zu überholen, den bisherigen Spitzenreiter.

Bald werden die Hühner auch noch die Schweine bei der Fleischproduktion überholen.
Grafik: Bennett et al., Royal Society Open Science 2018

Doch während dessen Knochen vor Verkauf des Fleischs weiterverwertet werden, landen die Hühnerknochen meist beim Konsumenten und danach im Hausmüll. Und damit kommen wir zur eigentlichen Argumentation von Bennett und Kollegen.

Über die lokale Müllabfuhr sammeln sich die Hühnerknochen nämlich in den Deponien der Welt an. Dort wieder tragen die anaeroben Verhältnisse dazu bei, dass die Knochen konserviert werden. Auf diese Weise kommt es in der oberen Erdkruste zu einer bemerkenswerten Ansammlung von Hühnerknochen, die so zu einem perfekten Symbol dafür werden, dass wir längst im Anthropozän leben. (Klaus Taschwer, 15.12.2018)