Ankara – Der Kurdenpolitiker Selahattin Demirtaş bleibt in türkischer Untersuchungshaft. Das Gericht in Sincan bei Ankara habe eine Freilassung seines Mandaten am Donnerstag abgelehnt, sagte Demirtaş' Anwalt Ramazan Demir. Die Richter setzten sich damit über eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hinweg. Demir sagte der Nachrichtenagentur AFP, es handle sich um einen "Justizskandal". Das Verfahren wird demnach vom 23. bis 25. Jänner fortgesetzt.

Der Gerichtshof hatte am 20. November Demirtaş' sofortige Freilassung gefordert, da die zweijährige Untersuchungshaft seine Rechte verletze und politisch motiviert sei. Der ehemalige Vorsitzende der prokurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) muss sich wegen der "Leitung einer Terrororganisation", "Terrorpropaganda" und "Anstachelung zu Straftaten" vor Gericht verantworten. Ihm drohen 142 Jahre Haft.

Urteil bereits rechtskräftig

Im September war Demirtaş bereits wegen "Terrorpropaganda" zu vier Jahren und acht Monaten Haft verurteilt worden. Am 4. Dezember bestätigte ein Berufungsgericht das Urteil, so dass Demirtaş nun rechtskräftig verurteilt ist. Der frühere HDP-Chef war zusammen mit anderen HDP-Abgeordneten im November 2016 festgenommen worden. Gegen ihn sind noch weitere Verfahren anhängig.

Am Mittwoch, dem ersten Tag der Anhörung in Sincan, hatte der 45-jährige Demirtaş sein Verfahren als "politischen Prozess" verurteilt und sich selbst als "politische Geisel" bezeichnet.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte als Reaktion auf die Entscheidung des Straßburger Gerichts erklärt, sein Land sei daran nicht gebunden. Die türkische Regierung wirft der HDP Verbindungen zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vor. (APA, 13.12.2018)