Wien – Die Nachfahren von Holocaust-Opfern sollen die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten, sofern sie das wünschen. Das sieht ein Gesetzesantrag vor, den die SPÖ am Donnerstag im Nationalrat einbringt. Auch die Regierung hat entsprechende Pläne geschmiedet, bisher aber keine Gesetzesinitiative vorgelegt.

Der SPÖ-Antrag richtet sich an Personen, deren Vorfahren (in gerader Linie) sich als Staatsbürger vor dem 9. Mai 1945 in das Ausland begeben haben, weil sie Verfolgungen durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Dritten Reiches mit Grund zu befürchten hatten oder erlitten haben oder weil sie wegen eines Eintretens für die demokratische Republik Österreich Verfolgungen ausgesetzt waren oder solche zu befürchten hatten.

Ausgenommen wären nur jene Nachfahren, die etwa als verurteilte Straftäter, Kriegsverbrecher, Terroristen oder Extremisten registriert sind. Bei Staaten, wo dies erforderlich erscheint, sollten im Wege bilateraler Abkommen Doppelstaatsbürgerschaften ermöglicht werden.

Die geplante Privilegierung in Sachen Staatsbürgerschaft soll mit der dritten der eigentlich vertriebenen Person nachfolgenden Generation, also den Urenkeln erlöschen. Allerdings sollen auch diese die Staatsbürgerschaft noch auf ihre eigenen Kinder erstrecken lassen können, sodass die Privilegierung eine Familiengeschichte von rund 100 Jahren jedenfalls abdeckt.

Kneissl: "Vorstoß kommt zur Unzeit"

Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) hat in der Frage der Doppelstaatsbürgerschaft für Nachfahren von NS-Opfern scharfe Kritik an der SPÖ geübt, zugleich aber das Bekenntnis zur Einführung derselben bekräftigt. "Der SPÖ-Vorstoß kommt zur Unzeit", teilte Kneissl der APA mit Blick auf den Antrag der Oppositionspartei im Nationalrat mit. "In der Sache gibt es ein klares Bekenntnis der Regierung zur Einführung der Doppelstaatsbürgerschaft für Nachfahren von NS-Opfern. Das wird auch umgesetzt, sobald alle rechtlichen Voraussetzungen geklärt sind."

Zunächst müsse Österreich teilweise aus der Europarats-Konvention zur Vermeidung von Doppelstaatsbürgerschaften austreten, sagte Kneissl. "Das ist das allererste, was wir in Angriff nehmen müssen." Zugleich verwies sie auf das Regierungsübereinkommen, in dem sich Türkis-Blau auf eine Doppelstaatsbürgerschaft für deutsch- und ladinischsprachige Südtiroler, Österreicher in Großbritannien sowie Nachkommen von Holocaust-Opfern festgelegt hatte. "Das sind voneinander völlig losgelöste Adressatenkreise", pochte Kneissl auf eine getrennte Behandlung dieser Gruppen. (APA, 13.12.2018)

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