Für Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) ein wichtiger und offenbar erfreulicher Tag: Die Fusion der Sozialversicherungsträger wurde im Parlament beschlossen.

Foto: Matthias Cremer

In der letzten Plenarsitzung des Nationalrats im heurigen Jahr haben die Koalitionsparteien unter heftigem Protest der Opposition die Zusammenlegung der Krankenkassen beschlossen. Die neun Gebietskrankenkassen werden damit zu einer österreichischen Gesundheitskasse zusammengelegt. Aus der gewerblichen und der bäuerlichen Sozialversicherung entsteht eine Selbstständigenkasse, weiters fusionieren Beamten- und Eisenbahnerkasse. Die Machtposition der Arbeitgeber in den Gremien wird deutlich ausgebaut. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger wird in seiner Bedeutung geschmälert, behält aber nun doch fixe Vorsitzende.

Die Debatte darüber wurde im Parlament recht heftig geführt, sie wurde auch von zahlreichen Taferln begleitet. SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner bestritt, dass die Sozialversicherung mit der Reform schlanker werde, wie von ÖVP und FPÖ behauptet wird. Vielmehr werde mit der Österreichischen Gesundheitskasse eine zusätzliche Verwaltungsebene eingezogen, die als einziges Ziel eine neue Machtstruktur habe. Nach der von der SPÖ vermuteten Umfärbung in den Gremien würden Selbstbehalte, Ambulanzgebühren und Leistungseinschränkungen folgen, mutmaßte die SPÖ-Chefin. Die Reform sei "brandgefährlich". Die Gesundheitsfinanzierung werde aufs Spiel gesetzt.

"Augenauswischerei"

Neos-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger sprach von "Augenauswischerei" und "Pflanz". Der Beschluss bringe nur türkisen und blauen Funktionären etwas und sonst niemandem. Die Versicherten würden keine besseren Leistungen haben, auch nicht mehr Kassenärzte. Zudem bleibe die ÖVP-Klientel wie Beamte und Bauern ausgeklammert.

Daniela Holzinger von der Liste Jetzt beklagte die Aushebelung der Selbstverwaltung. Sie plädierte dafür, mittels Sozialwahl die Positionen in der Sozialversicherung zu bestimmen. Den Patienten bringe es nichts, wenn die Funktionäre einfach per Gesetz farblich ausgetauscht würden.

"Heute ist ein denkwürdiger Tag, wir schreiben Geschichte", jubelte hingegen Sozialministerin Beate Hartinger (FPÖ) über "die größte Reform der Zweiten Republik". Ihr Ziel sei es gewesen, die Sozialversicherung für die Versicherten zu reformieren. "Bei uns steht der Patient im Mittelpunkt und nicht der Funktionär."

Hartingers Parteifreundin Dagmar Belakowitsch ging die Gewerkschafter in der SPÖ frontal an: "Ich bin ja schon froh, dass Sie heute nicht mit dem Pflasterstein gekommen sind." Die Kassenfunktionäre sollten nicht auf die Straße gehen, sondern die Patienten behandeln. Der Grund für die Demonstrationen sei klar: "Die roten Bonzen sind die Verlierer."

Eliminiert wurde mit dem Beschluss am Donnerstag die erst im November vom Nationalrat beschlossene und von der Opposition heftig kritisierte Bestimmung, wonach die Sozialministerin notwendige "Vorbereitungshandlungen" für jedwedes Gesetzesvorhaben im Bereich der Sozialversicherungsgesetze setzen darf, sofern ein entsprechender Entwurf bereits in parlamentarischer Handlung steht.

"Trauerspiel"

Kritik kam abseits des Hohen Hauses von Tirols schwarzem AK-Chef und Bundesarbeiterkammer-Vize Erwin Zangerl, der von einem "sozialpolitischen Trauerspiel" sprach. Härtere Bandagen legten am Tag des Beschlusses die Pensionisten an: Die Verfassungsklage des Seniorenrates gegen die Reform der Sozialversicherungen ist jetzt fix. Dass man als gesetzliche Interessensvertretung in den neu zu bildenden Gremien in den Sozialversicherungen auch nach der Reform nicht vertreten sein wird, ist für die beiden Präsidenten Ingrid Korosec (ÖVP) und Peter Kostelka (SPÖ) eine Diskriminierung. (APA, red, 13.12.2018)


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