Bern – Das Parlament soll entscheiden können, ob die Schweiz dem umstrittenen UNO-Migrationspakt zustimmt. Das fordert nach dem Schweizer Ständerat auch der Nationalrat. Einen definitiven Verzicht auf die Zustimmung haben beide Parlamentskammern abgelehnt.

Die Staatengemeinschaft hat den Migrationspakt am Montag in Marrakesch offiziell angenommen. Die Schweiz blieb der Konferenz fern: Die Regierung (Bundesrat) steht zwar hinter dem Pakt, hat aber entschieden, den Ausgang der Debatten im Parlament abzuwarten.

Vorstoß

Nun haben sich die Räte dafür ausgesprochen, dass der Bundesrat dem Parlament die Zustimmung zum Pakt beantragt. Das ermögliche dem Parlament, sich vertieft mit dem Migrationspakt zu beschäftigen, befand die Mehrheit. Die Regierung könne darlegen, welche Auswirkungen der Pakt habe und wie sie diesen umzusetzen gedenke.

Der Nationalrat überwies den Vorstoß für eine Parlamentsentscheidung am Dienstag mit 121 zu 70 Stimmen an den Bundesrat. Den Vorstoß für ein definitives Nein der Schweiz lehnte er mit 104 zu 90 Stimmen bei 1 Enthaltung ab.

Die SVP und die Mehrheit der FDP hätten bereits eine inhaltliche Entscheidung gegen den Pakt fällen wollen. SP, Grüne und Grünliberale wollten den Entscheid über die Zustimmung dem Bundesrat überlassen, der gemäß Verfassung eigentlich dafür zuständig wäre. Am Dienstag äußerte sich Außenminister Ignazio Cassis. Kein Staat könne die Herausforderungen der irregulären Migration alleine angehen, betonte er.

Kritik

Der Migrationspakt sei im Interesse der Schweiz. Innenpolitisch besteht laut Cassis kein Handlungsbedarf. Der Pakt garantiere auch die Souveränität der Staaten bei der Migration. Ein internationales Abseitsstehen hätte dagegen wohl negative Folgen für die Schweiz und könnte der Reputation schaden.

In der Debatte wurde Cassis für sein Vorgehen kritisiert. Er habe es verpasst, das Parlament rechtzeitig einzubeziehen, hieß es. Deshalb brauche es nun die Zusatzschlaufe im Parlament. Marco Romano (CVP/TI) stellte fest, wegen der mangelnden politischen Sensibilität des Bundesrates befinde sich die Schweiz nun in einer peinlichen Situation. Von linker Seite wurde der Regierung ein "Zickzackkurs" vorgeworfen.

Die Vertreter der SVP kritisierten ihrerseits den Inhalt des Migrationspakts. Dieser erleichtere die Migration, sagten sie. Die Schweiz dürfe keinesfalls zustimmen. Die Elite entferne sich vom Empfinden der Bevölkerung, befand Luzi Stamm (SVP/AG). FDP-Vertreter bemängelten, der Pakt sei zu vage formuliert und enthalte keine Regeln zur Lastenverteilung unter den Staaten. Der Bundesrat solle die Vor- und Nachteile klar aufzeigen, forderte Matthias Jauslin (FDP/AG).

Der Migrationspakt war im Juli an der Generalversammlung der UNO noch von fast allen Staaten, auch von der Schweiz, gebilligt worden. Nur die USA standen bereits abseits. Mittlerweile ist der Pakt in mehreren Ländern umstritten, darunter Belgien, Ungarn, Polen, Österreich, Australien, Italien, Bulgarien, Israel, Tschechien und die Slowakei. (APA, 13.12.2018)