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Chinesen setzten sich in Kanada für Huawei-Managerin Meng Wanzhou ein. Doch ihre Freilassung sorgt nur für eine Verschnaufpause im drohenden Handelskrieg.

Foto: AP/Darryl Dyck

Es war wie im Tollhaus: Mehr als eine Viertelmilliarde Mal klickten Chinesen von Mittwochmorgen bis zum Nachmittag die Weibo-Seite (Chinas Wechat) von sina.com an. Alle wollten sich den Videoclip unter der Schlagzeile "Einerseits Tränen, andererseits Lachen" ansehen. Er zeigte, wie Meng Wanzhou, Topmanagerin von Chinas größtem Technologiekonzern Huawei, reagierte, nachdem der kanadische Richter sie unter strengen Auflagen auf Kaution freigelassen hatte. Umgerechnet 6,6 Millionen Euro musste sie hinterlegen und wird künftig auf Schritt und Tritt überwacht, bis in Kanada über das Auslieferungsersuchen der USA entschieden wurde.

Meng, der die USA betrügerisch arrangierte Verletzungen der Iran-Sanktionen vorwerfen, ist nicht aus dem Schneider. Doch sie kam wenigstens aus der Haft. Nach dem Richterspruch wischte sich die Tochter des Konzerngründer Ren Zhengfei mit einer Hand erleichtert die Tränen aus den Augen. Dann lachte sie. Als sie zu Hause war, dankte sie der Nation mit einem Wechat-Tweet: "Ich bin stolz auf Huawei und auf mein Vaterland."

Chinas Regierung unter Druck

Chinas Führung, die unter öffentlichem Druck steht, mehr Härte zu zeigen, hatte alle Register gezogen, damit Meng wenigstens auf Kaution freikam. Sie drohte Kanadas Regierung mit schwerwiegenden Folgen, falls Meng in Haft bleibe. Patriotische Parteiblätter schürten die Emotionen. Noch am Mittwoch drohte die "Global Times", bevor das kanadische Gericht entschied: "USA und Kanada risikieren, die Büchse der Pandora zu öffnen."

Zugleich machten unter chinesischen Unternehmen Drohungen, keine US-Produkte mehr zu verwenden, die Runde. Das Wechselbad zwischen Anspannung und Erleichterung schwappte auch auf das Ausland über und spiegelte sich in fallenden Börsenkursen und der Furcht mancher kanadischer und US-Manager davor wider, derzeit nach China zu reisen.

Kanadischer Ex-Diplomat in China festgenommen

In der Nacht vor dem Gerichtsbeschluss sorgte eine obskure Meldung für weitere Eskalation. Offenbar als Vergeltung für Meng Festnahme hatten chinesische Sicherheitsbehörden den früheren kanadischen Diplomaten Michael Kovrig ohne Angabe von Gründen festnehmen lassen. Kovrig arbeitet seit 2017 für die Brüsseler Friedenforschungsinitiative International Crisis Group als Berater zur Lage in Nordostasien. Er war einst mit Kanadas Premier Justin Trudeau vertraut. Trudeau reagierte mit den Worten: "Wir nehmen diesen Fall sehr ernst."

Der Sprecher des Außenministeriums, Lu Kang, nannte als Grund für die Festnahme, dass Kovrig als Vertreter einer nicht in China registrierten Consultinggruppe gegen die neuen Regeln zur Kontrolle von Nichtregierungsorganisationen verstoßen habe.

Peking wollte Gericht beeinflussen

Nach Ansicht vieler Beobachter wollte Peking damit vor allem die kanadische Gerichtsentscheidung beeinflussen. Der Fall trübte jene Hoffnungen, die der Neustart der Verhandlungen zwischen Chinas Vizepremier Liu He und US-Finanzminister Steven Mnuchin sowie dem US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer geweckt hatte. In einem speziell arragierten Telefongespräch demonstrierten die Unterhändler, dass sie sich nicht von der Suche nach einer Einigung im Handelsstreit abbringen lassen wollen. Nach Angaben des chinesischen Handelsministeriums versuchten sie sich auf einen Zeitplan und die Umsetzung von Möglichkeiten zu einigen, die aus dem Handelsstreit führen könnten, bevor er zum Handelskrieg eskaliert.

US-Präsident Donald Trump und Chinas Staatschef Xi Jinping hatten sich beim G20-Gipfel am 1. Dezember auf einen 90-Tage-Aufschub geeinigt, bevor sie erneut Strafzölle auf ihre jeweiligen Importe verhängen. Trump hatte Peking das Ultimatum gesetzt: Wenn China bis zum 1. März nicht substanzielle Strukturreformen zur Marktöffnung einleitet und zugleich mehr Importe aus den USA vor allem bei Energie und Agrargütern wie Sojabohnen bezieht, werde er die zehnprozentigen Strafzölle für China-Importe im Wert von 200 Milliarden Dollar auf 25 Prozent erhöhen. So will er das enorme Handelsdefizit mit China ausgleichen. Der 1. März sei eine "harte Deadline", warnten die US-Unterhändler. China hat bisher keine konkreten Einkaufsmengen genannt.

Erfolgsmeldungen nach Telefonat

Die US-Unterhändler verbreiteten nach ihrem Telefonat Erfolgsmeldungen. Peking sei bereit, seine derzeit extremen Importsteuern, die es nur auf Fahrzeuge aus den USA erhebt, auf 15 Prozent zu senken. Das zahlen auch die Autobauer aus Europa und der übrigen Welt. Alle US-Unternehmen von GM bis Ford müssen ihre Fahrzeuge dagegen mit 40 Prozent versteuern. Ihre Verkäufe in China sind zweistellig gesunken. Allein im Monat November brachen die Chevrolet-Verkäufe um 37,4 Prozent ein. Betroffen sind auch Mercedes und BMW, die einen Teil ihrer in den USA produzierten Autos nach China exportieren.

Die Nachricht über die Senkung der Autoimportsteuer für die USA hat bisher einen Schönheitsfehler: Bis Mittwochabend wurde sie in China nicht bekanntgegeben. Peking scheint sie für einen Gesamtdeal mit den USA aufzuheben. Trump twitterte euphorisch: "Wir führen sehr produktive Gespräche mit China! Achtet auf einige wichtige Bekanntmachungen!" Währenddessen verstreicht die 90-Tage-Frist. (Johnny Erling aus Peking, 12.12.2018)