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Derzeit sichergestellt, genauer: "noch" sichergestellt – Luftraumüberwachung mit dem Eurofighgter der Tranche 1. Diese müsste aber nachgerüstet werden, wenn man nicht auf ein neues System umsteigt.

Foto: Reuters / Lisi Niesner

Wien – "Derzeit ist die Luftraumüberwachung noch sichergestellt." Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sagt das, als ob man bei Rüstungsfragen ad hoc auf Veränderungen reagieren und bei Handlungsbedarf sofort nachschärfen könnte. Nach dem Ministerrat am Mittwoch gab er jedenfalls bekannt, dass die Entscheidung, wie es mit der Luftraumüberwachung weitergehen soll, neuerlich aufgeschoben wird. Dabei wird das Projekt schon seit Jahren wie eine heiße Kartoffel behandelt – und der Entscheidungsspielraum wird damit immer enger.

Zur Erinnerung: Seit 1966 wurde vom Bundesheer der Bedarf an Überschallflugzeugen für die Luftraumüberwachung und ergänzend dazu an Unterschallflugzeugen zur Unterstützung und zur Ausbildung angemeldet. Die Unterschallflugzeuge Saab 105OE wurden 1970 gekauft – es dauerte bis 1985, dass die rot-blaue Regierung Sinowatz-Steger den Kauf von 24 gebrauchten Saab J-35 Draken zur Luftraumüberwachung beschließen konnte; dies ausdrücklich als "Übergangslösung".

Aufschieben hat Tradition

Binnen zehn Jahren (also bis 1995) hätten neue Abfangjäger gekauft werden sollen. Tatsächlich ließ man sich weitere zwölf Jahre Zeit: Als Draken-Nachfolger wurde 2002 von der schwarz-blauen Regierung Schüssel der Eurofighter festgelegt, der erst ab 2007 ausgeliefert werden konnte. Dann allerdings in einer aufgrund eines politischen Kuhhandels abgespeckten Sparversion der Tranche 1.

Der Deal war damals und ist bis heute umstritten: Inzwischen arbeitet der dritte parlamentarische Untersuchungsausschuss bezüglich dieses Kaufs – die von der Opposition der Schüssel-Jahre (SPÖ und Grüne) behaupteten Malversationen konnten nicht bewiesen werden. Auch die vor 22 Monaten vom damaligen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) gegen den Eurofighter-Hersteller Airbus eingebrachte Betrugsanzeige hat bisher keine greifbaren Ergebnisse gebracht.

Kanzler Kurz will nun abwarten, ob U-Ausschuss und/oder Gerichtsverfahren neue Erkenntnisse bringen. Diese sollten, so die Hoffnung auf Regierungsseite, bis Mitte kommenden Jahres vorliegen. Erst dann soll entschieden werden, ob die inzwischen in die Jahre gekommenen Eurofighter nachgerüstet werden – das wäre für einen Betrieb über das Jahr 2022 notwendig. Zwei weitere vom Verteidigungsministerium vorgeschlagene Varianten sehen vor, dass Österreich die Eurofighter stilllegt (ein Verkauf der zurückgestutzten Tranche-1-Flieger erscheint wenig realistisch) und stattdessen entweder die in der Ausschreibung 2002 unterlegenen Saab-Gripen in der aktuellen Version beschafft oder auf amerikanische F-16 umsteigt.

Dazu muss man bedenken:

  • Neue Kampfflugzeuge kann man nicht "von der Stange" kaufen – Vorlaufzeiten zwischen Typenentscheidung und Vollbetrieb von vier bis acht Jahren sind realistisch. Wenn nicht bald entschieden wird, ob der Eurofighter nach 2022 weiterbetrieben wird, droht wie seinerzeit zwischen dem auslaufenden Draken-Betrieb und dem neuen Flugzeug eine Lücke – von 2004 bis 2008 musste diese mit gemieteten F-5 aus Schweizer Beständen gefüllt werden.
  • Noch dringlicher ist die Entscheidung über Trainingsflugzeuge, mit denen wie mit den 2020 technisch an ihr Lebensende gelangenden Saab 105OE die Luftraumüberwachung unterstützt werden sollte. Allerdings sollten diese Flugzeuge technisch zum Kampfflugzeug passen, also etwa ein ähnliches Cockpit haben.

ÖVP und FPÖ sind weitgehend einig, dass es eine möglichst kostengünstige Lösung geben soll. Aufs Tempo drückt aber nur die FPÖ – und die oppositionelle SPÖ.

SPÖ ortet "Angst des Kanzlers"

Kurz und die gesamte Bundesregierung "drücken sich vor der Entscheidung über unsere zukünftige aktive Luftraumüberwachung", kritisierte SPÖ-Landesverteidigungssprecher Rudolf Plessl am Mittwoch per Aussendung. Plessl warf der Regierung Flucht aus der Verantwortung vor: "Die Angst des Bundeskanzlers vor der Entscheidung, wie es mit der Luftraumüberwachung weitergeht, gefährdet unsere Sicherheit", glaubt er.

Das Bundesheer benötige Planbarkeit. Ein Ende der laufenden Strafverfahren sei überhaupt nicht absehbar, dies könne noch Jahre dauern. Es brauche aber eine rasche Entscheidung, forderte Plessl.

Luftpolizeiabkommen mit Deutschland geplant

Das Bundesheer will bei der Luftraumüberwachung nun jedenfalls auch mit Deutschland enger kooperieren. Der Ministerrat hat am Mittwoch eine Delegation bestimmt, die einen Luftpolizeivertrag mit dem Nato-Staat ausverhandeln soll. Das Abkommen soll ermöglichen, was Polizisten am Boden schon erlaubt ist: Das Überqueren der Staatsgrenze bei der Verfolgung eines verdächtigen Fahrzeuges.

Wie es im Ministerratsvortrag heißt, soll das Abkommen über "die Zusammenarbeit gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft" das sichere "Übergeben" eines verdächtigen Luftfahrzeuges an die Fliegerkräfte des Nachbarstaates ermöglichen, damit ein Zurückfliegen in das jeweils andere Land nicht mehr möglich bzw. wahrscheinlich ist.

Vorbild ist ein im Vorjahr geschlossenes Abkommen mit der Schweiz, das derzeit vom Parlament beraten wird. Es ermöglicht den beiden neutralen Nachbarstaaten mit ihrem kleinen Luftraum eine effizientere Luftraumüberwachung, indem verdächtige Flugzeuge schon vor der Grenze abgefangen werden können. Nach bisherigem Recht konnten Österreich und die Schweiz nur Daten austauschen, ein grenzüberschreitender Einsatz war nicht gestattet. (cs, APA, 12.12.2018)

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