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Die britische Regierungschefin in Nöten.

Foto: AP Photo/Virginia Mayo

London – Die britische Premierministerin Theresa May muss sich wegen ihres Brexit-Kurses noch am Mittwochabend vor den konservativen Abgeordneten im Parlament einer Abstimmung über ihr Amt als Parteichefin stellen. Das teilte Graham Brady mit, der Vorsitzende des 1922-Komitees, in dem sich insbesondere Tory-Hinterbänkler versammeln.

EU-Ratspräsident Donald Tusk will indes ein No-Deal-Szenario zum Brexit vorbereiten, "da die Zeit knapp wird". In seinem am Mittwoch verschickten Einladungsbrief für den EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag schrieb er, dass die Staats- und Regierungschefs der EU zunächst May zuhören und im Anschluss im Kreis der EU-27 Schlussfolgerungen diskutieren wollen.

Abstimmung beginnt um 19 Uhr

Sollte May die Misstrauensabstimmung verlieren, wäre auch ihr Posten als Regierungschefin nicht mehr zu halten. Die Abstimmung soll zwischen 19 und 21 Uhr MEZ erfolgen. Danach wird das Ergebnis noch am Abend veröffentlicht, gab Brady bekannt.

May will mit allen Mitteln um ihr Amt kämpfen. "Ich werde mich dieser Abstimmung mit allem, was ich habe, entgegenstellen", sagte sie am Mittwoch. Im Fall ihrer Niederlage rechnet sie wie auch Justizminister David Gauke mit einem verzögerten EU-Austritt Großbritanniens.

Sturz könnte Brexit verschieben

Ein Nachfolger "hätte keine Zeit, um eine Rücktrittsvereinbarung neu auszuhandeln und die Gesetzgebung bis zum 29. März durch das Parlament zu bringen", sagte May. Daher müsste der Artikel 50, der den Brexit-Ausstiegsprozess regelt, verlängert oder aufgehoben werden. Das verzögere den EU-Austritt oder halte ihn sogar auf.

Ein Führungswechsel würde laut May nichts an den Grundsätzen der Brexit-Verhandlungen und den schwierigen Mehrheitsverhältnissen im Parlament ändern. Die Wahl eines neuen Parteichefs würde "die Zukunft des Landes aufs Spiel setzen und Unsicherheit schaffen, wenn wir sie am wenigsten brauchen können". May sprach zudem von Fortschritten bei den Verhandlungen mit EU-Spitzenvertretern am Dienstag. Ein Deal mit der EU sei erreichbar, durch das Misstrauensvotum werde jedoch die Zukunft aufs Spiel gesetzt.

Entscheidenden Einfluss auf den Misstrauensantrag hatte der erzkonservative Hinterbänkler Jacob Rees-Mogg. Er hatte May bereits kurz nach Veröffentlichung des Brexit-Abkommens sein Misstrauen ausgesprochen. Ein erster Versuch, die für eine Abstimmung notwendigen 48 Misstrauensbriefe zusammenzubekommen, war aber gescheitert. Rees-Mogg steht einer Gruppe von rund 80 Brexit-Hardlinern in der Fraktion vor.

Nur einmal pro Jahr möglich

Unklar ist, ob die Rebellen May wirklich stürzen können. Sie brauchen dafür eine Mehrheit der 316 konservativen Abgeordneten. Eine Misstrauensabstimmung kann nur einmal pro Jahr stattfinden. Sollte May als Siegerin hervorgehen, wäre ihre Position zunächst gefestigt.

Sollte sie verlieren, müsste der Parteivorsitz rasch neu besetzt werden. Gibt es nur einen Kandidaten, kann das sehr schnell gehen. Bewerben sich mehrere, gibt es mehrere Wahlgänge. Bei jedem Mal scheidet der jeweils Letztplatzierte aus, bis nur noch zwei Bewerber übrig sind. Sie müssen sich dann einer Urabstimmung unter der Parteimitgliedern stellen. Der Vorgang dauert mehrere Wochen.

Ausgelöst wurde der Putschversuch durch den Streit über das Brexit-Abkommen, das die Unterhändler Großbritanniens und der EU in Brüssel ausgehandelt haben. Die Brexit-Hardliner um Rees-Mogg fürchten, dass Großbritannien durch das Abkommen dauerhaft eng an die EU gebunden wird. Am 29. März soll das Land aus der Union ausscheiden.

Derzeit 158 Unterstützer

Am Mittwochnachmittag näherte May sich der notwendigen Zahl an Unterstützern um das Misstrauensvotum abschmettern zu können: Bisher haben sich 158 Abgeordnete der Konservativen Partei öffentlich zu ihr bekannt, zeigt eine Reuters-Erhebung. Um May zu stürzen, müssten bei dem Votum mindestens 158 von 316 Abgeordneten gegen die Tory-Chefin stimmen. (red, APA, 12.12.2018)