Wenn nicht alles täuscht, wird die ÖVP/FPÖ-Koalition im neuen Vorsitzenden der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), Ümit Vural, ein herausforderndes Gegenüber haben.

Bei seiner Antrittspressekonferenz am Montag zeigte er hohe Artikulationsfähigkeit, relativ freimütige Argumentation und eine angemessene Mischung zwischen Selbstsicherheit und Kooperationsbereitschaft. Einige Aussagen – etwa über die von ihm gewünschte verstärkte Rolle von Frauen in der IGGÖ – klingen liberal für diese sehr konservative Vereinigung. Aber da muss man vorsichtig sein. Wenn jemand modern und mediengerecht auftritt, kann er trotzdem eher konservativ sein.

Davon abgesehen ist Vural offensichtlich ein anderes Kaliber als frühere Vertreter der muslimischen Gemeinde. Seine beiden Vorgänger wurden abgewählt, weil man ihnen die mangelnde Vertretung islamischer Interessen – Moscheenschließungen, restriktives Islamgesetz – zum Vorwurf machte.

Der Auftrag an Vural lautete also eindeutig, im Namen der österreichischen Muslime selbstbewusster aufzutreten. Man soll sich keinen Illusionen hingeben: Die Politik der türkis-blauen Koalition ist gegenüber den Muslimen konfrontativ. Die FPÖ ("Daham statt Islam" – Copyright Herbert Kickl) würde am liebsten alle Muslime hinausschmeißen und behilft sich einstweilen mit Schikanen: Überprüfung von türkischen Doppelstaatsbürgerschaften aufgrund einer seltsamen Wählerliste, ständig verschärfte Kopftuchverbote. Kanzler Sebastian Kurz macht mit. Türkis-Blau hat von integrativ auf konfrontativ umgeschaltet.

Unterstützungsdemo

Gleichzeitig konnte aber die Anhängerschaft des türkischen Präsidenten Tayip Erdogan per Knopfdruck tausende junge Männer zu einer Unterstützungsdemo in Wien mobilisieren. Ümits Vorgänger wurde vorgeworfen, zu sehr unter dem Einfluss des türkischen Verbandes Atib zu stehen, der seinerseits wieder von Erdogan beherrscht wird.

Vural ist Rechtsanwalt (er arbeitet in der Kanzlei des bekannten Strafverteidigers Rudolf Mayer) und stammt aus der zentralanatolischen Provinz Yozgat, aus der sehr viele Gastarbeiter der ersten Generation kommen. Er ist Aufsteiger: Sein Vater war Maurer. Er ist kurdischer Abstammung, hat aber offensichtlich nichts mit den kurdischen Separationsbewegungen am Hut.

Er sprach in seiner Pressekonferenz alle Problemzonen an: Er kenne nur Muslime, keine Türken, Araber und Bosnier. Die Beziehung zu Millî Görüs, die reaktionäre, zweitgrößte türkische Vereinigung, bestehe nur über seinen Vater (allerdings wurde er auf dem Ticket von Millî Görüs gewählt). Er lasse es nicht zu, "dass wir Vorgaben aus dem Ausland bekommen", sagte er auf Fragen nach dem Einfluss der türkischen Religionsbehörde Diyanet. Verbote beim Kopftuch seien "destruktiv". Der Regierung bietet er einen Dialog an, will aber die Muslime nicht als "Bürger zweiter Klasse" gelten lassen.

Insgesamt war es ein selbstbewusster, aber gemäßigter Auftritt. Die Regierung bekommt es da mit einem anderen Kaliber zu tun. (Hans Rauscher, 11.12.2018)