Ob sie es zur Zahl des Jahres schaffen werden, ist offen. Das Zeug dafür hätten die 150 Euro, die Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) zur Diskussion stellte. Man werde trotz der geplanten Kürzung von der Mindestsicherung "leben können", sagte sie in einem Interview. Zumindest wenn man "die Wohnung auch noch bekommt, dann sicher".

Darauf gingen in Österreich die Wogen hoch. Von Opposition, Armutskonferenz und anderen Stellen kam scharfe Kritik. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache rückte zur Verteidigung aus und die Zahl zurecht (so wie Hartinger-Klein später auch): Es gehe um Nichtösterreicher, die nie ins Sozialsystem eingezahlt hätten und mit Unterkunft, Essen und medizinischer Versorgung ausgestattet seien – die 150 Euro wären quasi ein Taschengeld.

Doch wie viel bedeuten 150 Euro für jemanden, der in Österreich lebt, hier seinem Job nachgeht, ein Unternehmen betreibt, in Pension ist oder noch die Schule besucht? Ist das viel? Ist das wenig?

Kommt darauf an

Ganz unabhängig von offiziellen Größen wie der Armutsgefährdungsschwelle, die bei 1238 Euro liegt, dem durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen, das für Arbeitnehmer laut den letzten verfügbaren Zahlen 2360 Euro ausmachte, oder dem Medianeinkommen, dessen Wert sich auf 2160 Euro bemisst.

Mit dem Ergebnis der Befragung – die keinen Anspruch auf Repräsentativität erhebt – ist es wie so oft: Es kommt darauf an, wen man fragt. Jedenfalls sind 150 Euro ein Betrag, über dessen Wert man für sich selbst eine recht genaue Vorstellung hat. Wobei die Frage explizit nicht gelautet hat, ob man davon leben könne, sondern was einem dazu spontan in den Sinn kommt. Wenig Geld sind 150 Euro für die meisten jedenfalls nicht.

Was der Einzelne damit tun könnte oder wollte, beantwortet jeder naturgemäß anders. Zum Verpulvern ist es aber zu viel. Ob man sich damit viel oder wenig leisten kann, darüber gehen die Meinungen auseinander. Wobei sich nicht alle mit der Beantwortung der Fragen "Viel oder wenig? Und was damit tun?" aufgehalten haben, sondern gleich in den politischen Diskurs eingestiegen sind. (Regina Bruckner, Portfolio, 2018)

Jannis Karas
8, Schüler

"150 Euro, das ist nicht so viel, aber auch nicht wenig. In meiner Sparbüchse ist fast so viel drin. Jetzt habe ich damit nichts geplant. Ich möchte noch mehr sparen, aber schon irgendwann auch ein bisschen etwas ausgeben. Nicht für einen Bagger oder so etwas, eher für etwas Nützliches für den Haushalt. Vielleicht lade ich auch Freunde ein und spende etwas für den Ute-Bock-Verein. Ich muss mich erst entscheiden."

Foto: Karas

Susanna Marchand
55, Künstlerin

"150 Euro sind wie ein Tropfen auf den heißen Stein: Kaum im Börsel sind sie weg. Man könnte damit zu zweit ein bisserl besser essen gehen. Oder einen Wintermantel kaufen, dann fehlen die passenden Stiefel. Oder viermal Lebensmittel für eine Person à 37,50 Euro kaufen. Oder sie einem Stripper ins Höschen stecken. Oder als Fünf-, Zehn-, Zwanzig- und Fünfzig-Euro-Scheine an die Häuser am Wiedner Gürtel kleben. Sie tragen die Farben der Euroscheine von fünf bis 500."

Foto: Heribert Corn

Isabell Wiesner
48, Biobäuerin

"Ob 150 Euro viel oder wenig ist, ist für mich ziemlich relativ. 150 Euro sind wenig, wenn ich mir gerade ein neues Auto kaufen möchte oder wenn ich über den Erwerb eines Pferdes nachdenke. 150 Euro würden für mich aber über die Maßen reichen, wenn ich morgen früh einkaufen gehen möchte und mir damit einen Vorrat an Waschmittel, Klopapier und solchen nötigen Dinge zulegen will. Dann ginge sich mit dieser Summe ganz schön viel aus."

Foto: Jürgen Schmücking

Markus Klimesch
41, Gründer

"150 Euro sind für den einen ein Abendessen, der andere muss davon zwei Wochen leben. Ich behebe den Betrag zwei bis dreimal pro Monat beim Bankomaten. 2000 Schilling waren das früher. Damit bezahle ich, was bar anfällt. Meist zahle ich elektronisch. Jetzt, in der Aufbauphase meiner Firma Elferspot, ist das jedenfalls deutlich mehr als vor ein paar Jahren, als ich einen gutbezahlten Angestelltenjob hatte."

Foto: Klimesch

Gexi Tostmann
76, Unternehmerin (hier mit Tochter Anna)

"Mir fällt dazu nur ein bedingungsloses Grundeinkommen von ungefähr 900 Euro ein, sonst überhaupt nichts mehr. Seit 30 Jahren kämpfe ich dafür. Es ist die einzige Möglichkeit, um über all die neuen Entwicklungen zu kommen. Sei es gegen die Armut der Frau, sei es gegen die Ausbeutung der Menschen. Und wir müssen eben in den reichen Ländern anfangen. Das ist die einzige Antwort auf alle Diskussionen jetzt."

Foto: Robert Newald

Erwin Kotányi
61, Unternehmer

"Ich lebe Gott sei Dank in einem recht guten wirtschaftlichen Umfeld, aber 150 Euro haben trotzdem eine Wertigkeit, bei der ich mir sehr wohl überlege, was ich damit mache. Sinnlos ausgeben, dafür wäre mir der Betrag zu hoch. 20 Euro ja, 150 Euro nein. Es ist nicht gerade existenziell ein Thema, es geht eher darum, etwas Sinnvolles damit zu tun. Vielleicht würde ich mir ein weiteres Racket kaufen. Ich bin Tennisspieler und zerstöre die Schläger gerne."

Foto: Andi Urban

Rudi Wolfsberger
70, Pfarrer in Pension

"Für mich sind 150 Euro viel Geld. Bekäme ich die Summe nicht, müsste ich auf etliche Therapien verzichten. Bekäme ich sie zusätzlich, hätte ich etliche Organisationen, mit denen ich sie teilen würde. Spielt man damit Lotto, ist es mit Garantie wieder weg, auch wenn man zwischendurch etwas gewinnt. Man kann jedenfalls auch mit wenig auskommen. Ich versuche Geld zu sparen, indem ich selbst koche und Mahlzeiten zubereite – damit kommen wohl um die 600 Euro zusammen."

150 Euro sind ...

Milch
Um 0,99 Euro bekommt man im Handel einen Liter passable heimische Milch mit 3,5 Prozent Fett, wenn auch nicht bio. Würden sich also 151 Liter ausgehen.

Treibstoff
Der Preis für Treibstoffe ist gestiegen. 1,34 Euro ist in Wien Mitte November ein guter Preis für den Liter Diesel. Wären fast 112 Liter, für ein mittelgroßes Auto rund drei Tankfüllungen. Mit einem mittleren Verbrauch von sechs Litern käme man damit von Wien nach Seevetal, in eine Gemeinde nahe Hamburg, und zurück.

Mobilität
Mit dem Zug von Wien nach Hamburg, mit dem Flugzeug von ebenda nach Moskau oder mit Glück bis New York – one way. Um 150 Euro geht sich aber auch eine Semesterkarte für Öffis in Wien oder die Miete für ein Mittelklasseauto für einen Tag aus.

Unterhaltung
Nutzt man den Kinomontag, gehen sich in der Regel 27 Besuche aus, Stehkarten im Burg- und Akademietheater könnte man gleich 42-mal erstehen.



Foto: APA/Gindl