Demonstranten am Samstag in Kattowitz.

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So groß die Hoffnung vor drei Jahren nach Abschluss des Pariser Klimaabkommens war, so tief ist nun die Ernüchterung bei der Klimakonferenz in Kattowitz. Nicht nur, dass die Treibhausgasemissionen ungebremst weitergestiegen sind, obwohl der Klimawandel weltweit immer größere Schäden anrichtet. Die US-Regierung unter Donald Trump hat sich vom globalen Klimaschutz verabschiedet, gefolgt von Brasilien unter seinem neuen Präsidenten Jair Bolsonaro, weil die Männer an der Spitze die Erderwärmung für ein Märchen halten.

Länder wie China, Indien oder das Gastgeberland Polen machen klar, dass ihnen die steigenden Temperaturen zwar Sorgen bereiten, aber sie deshalb nicht bereit sind, ihre gewaltigen Kohlevorräte im Boden zu belassen. Denn Energieversorgung und Wirtschaftswachstum gehen vor. Und selbst ein grün-bewegtes Land wie Österreich verzichtet in seiner Klimastrategie auf alles, was Industrie oder Autofahrern wehtun könnte. Die nächste Wahl ist wichtiger als die Zukunft des Planeten.

Aufstand der Gelbwesten sind eine Warnung

Am meisten aber erschreckt derzeit der Aufstand der Gelbwesten in Frankreich. Dort hat ein Präsident genau das getan, was Experten fordern: Er wollte fossile Treibstoffe verteuern und so Anreize für Klimaschutz schaffen. Die Reaktion ist eine aggressive Bewegung, die Emmanuel Macron seine politische Macht kosten könnte und jedem Politiker im Westen signalisiert: Lass die Finger vom Klimaschutz!

Das Beispiel Frankreich macht deutlich, dass Klimapolitik noch viel komplizierter ist als gedacht. Was man bisher wusste: Die Kosten fallen sofort an, der Nutzen aber erst viel später und dann in einem unsicheren Ausmaß. Und jedes Land, das vom globalen Vorhaben ausschert oder schwindelt, schafft sich kurzfristige Vorteile gegenüber denen, die brav ihren Beitrag leisten. Das ist eine Einladung zum Trittbrettfahren.

Klimaschutz spaltet die Gesellschaft

In Frankreich aber zeigt sich auch, wie Klimaschutz Gesellschaften spalten kann. Es entsteht eine Front zwischen Stadt und Land, zwischen gebildeten Eliten und den wirtschaftlich Abgehängten, sogar zwischen Frauen und Männern. Bisher standen meist Rechtspopulisten der Klimapolitik im Weg. Doch die Gelbwesten demonstrieren, dass Treibstoffpreise, Heizkosten und unser gesamter fossiler Lebensstil auch viel sozialen Sprengstoff in sich bergen. Die Bedürfnisse und Emotionen der Betroffenen kann man nicht einfach als uninformiert und unsolidarisch abtun.

Wer Klimaschutz zum Erfolg verhelfen will, muss in vieler Hinsicht umdenken. Der moralisierende Ton vieler Umweltschützer ist kontraproduktiv: Der Widerstand kommt nicht nur von bösen Industrie- und Energielobbys, sondern mitten aus der Gesellschaft. Die Skepsis gegenüber vielen smarten Plänen ist verständlich: Von Ethanol bis zum Emissionshandel erwiesen sich schon viele als Irrwege. Wer gegen Diesel, Atomkraft oder die Kohlenstoffspeicherung im Boden (CCS) wettert, muss stets bedenken, dass der Verzicht darauf den Klimaschutz erschwert und weiter verteuert. Und selbst die hochgelobten CO2-Steuern sind ein Patentrezept nur auf dem Papier.

Technologie ist die Hoffnung

Das heißt nicht, dass es keine Hoffnung gibt. Die Forschung hat in den vergangenen drei Jahren große Fortschritte erzielt. Die Technologie für die große Klimawende steht bereit, die Kosten wären bewältigbar. Doch die politische Umsetzung erfordert eine Entschlossenheit, Überzeugungskraft und Umsicht, die bisher überall fehlen. (Eric Frey, 10.12.2018)