Johannes Maria Stauds zeitkritische Oper wird in Wien uraufgeführt.

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Unlängst hat er sich komponierend eines Dirigenten entledigt: Beim Festival Wien Modern mussten die Wiener Philharmoniker Johannes Maria Stauds Scattered Light als "unbalanciertes Orchester" uraufführen und den Puls der Musik selbst organisieren. Einen hilfreichen Luftmasseur im Frack hatte Staud nicht vorgesehen. Daraus allerdings ein Zerwürfnis zwischen dem Tiroler und dem Berufsstand der Klanglenker zu konstruieren wäre ein Fehler.

Als einer der prominenten Vertreter der anspruchsvollen Schreibkunst hat Staud seine Partiturexperimente auch schon Dirigierkapazitäten wie Sir Simon Rattle oder Franz Welser-Möst zur Umsetzung anvertraut. Auch schrieb er für Violinvirtuosin Midori oder den französischen Starpianisten Pierre-Laurent Aimard. Und als besonderes Kompliment empfand es Staud, als einst Dirigent und Komponist Pierre Boulez bei ihm ein Stück in Auftrag gab.

Elegantes Handwerk, klangliche Sinnlichkeit

Staud ist also einer der begehrten Komponisten Europas. Dass am Samstag sein Musiktheater Die Weiden an der Wiener Staatsoper uraufgeführt wird – als erste Neuheit seit 2010, seit Aribert Reimanns Medea -, untermauert dieses Faktum. Die Erfolgsgründe liegen bei Staud auf der Hand: Der 1974 in Innsbruck Geborene, der vor konservativer Enge nach Wien floh und unter anderem bei Michael Jarrell und Iván Eröd studierte, verbindet in seiner Kunst elegantes Handwerk und klangliche Sinnlichkeit mit harmonischer Raffinesse und struktureller Intelligenz.

Staud, den in seiner Jugend Beethoven, Schubert und Mahler zum Komponieren animiert hatten, bezieht seine Inspiration natürlich aus Literatur, Film und Kunst. Zudem nimmt er – als wacher Zeitgenosse – das politische Geschehen mit in die Komponierstube und verarbeitet dieses in abstrakten Geschichten. So wie bei den Weiden. Es soll auch das neue Werk als engagierte Zeitoper verstanden werden, in der die Auseinandersetzung mit der aktuellen Lage Europas (im Umfeld von Abschottung und Populismus) spürbar wird.

Staud und Librettist Durs Grünbein wollen schließlich in ihren Weiden "Flagge zeigen" und sich "einmischen". Staud, zweifacher Vater, empfindet die Politlage in Österreich ja als suboptimal. Er wünscht sich, dass "rechtsextreme Ideologien aus der Mitte der Gesellschaft" verschwinden. Möge seine Oper, Die Weiden, dabei mithelfen und außerdem so gut sein, dass sie die nächsten Jahrzehnte im Repertoire verweilt! (Ljubisa Tosic, 7.12.2018)